Wir in drei Worten Roman

Wir in drei Worten  Roman
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Produktbeschreibung

Mit ihrem Debütroman "Wir in drei Worten" trifft die Schottin Mhairi McFarlane mitten ins Herz ihrer Leser_innen!

Zu Unizeiten waren sie unzertrennlich. Beste Kumpels waren sie. Die Welt konnte ihnen nichts anhaben. Doch in der Nacht vor der Abschlussfeier ist etwas passiert. Seitdem haben sich Rachel und Ben nicht mehr gesehen. Zehn Jahre und 781 erfolglose Google-Suchen später stehen sich die beiden endlich wieder gegenüber.
 

Klappentext zu „Wir in drei Worten“

Zu Unizeiten waren sie unzertrennlich.
Beste Kumpels waren sie. Die Welt konnte ihnen nichts anhaben. Doch in der Nacht vor der Abschlussfeier ist etwas passiert. Seitdem haben sie sich nicht mehr gesehen. Zehn Jahre und 781 erfolglose Google-Suchen später stehen sie sich unerwartet gegenüber.

Bibliografische Angaben

2013, 496 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch, Übersetzung: Dufner, Karin; Laszlo, Ulrike
Verlag: DROEMER KNAUR
ISBN-10: 3426514532
ISBN-13: 9783426514535

Autoren-Porträt von Mhairi McFarlane

Mhairi McFarlane wurde 1976 in Schottland geboren. Ihre geographischen Lebensdaten in Kurzform lauten Falkirk Afrika Milton Keynes Nottingham und entsprechen in etwa dem Weg, den ein Designerkleidungsstück zurücklegt, bevor es in einem Laden zur Ruhe kommt. Mhairis Ruhepol ist in Nottingham, wo sie mit einem Mann und einer Katze lebt. Bevor sie sich dort niederließ und als Journalistin arbeitete, studierte sie an der Universität Manchester. Mhairi kennt den Ort, an dem Rachel und Ben sich kennenlernen, also wie ihre Westentasche. Und wie ihre Figuren liebt sie es, ein Glas Wein zu trinken und bei gutem Essen mit Freunden zusammenzusitzen.

 

Lese-Probe

Wir in drei Worten von Mhairi McFarlane
Aus dem Englischen von Karin Dufner und Ulrike Laszlo


PROLOG

Verdammter Mist, so ein Pech ...«

»Was?«, fragte ich.

Ich schlug eine besonders aufdringliche und unbeirrbare Wespe von meiner Coladose weg. Ben versteckte sein Gesicht hinter der Hand, was ihn umso auffälliger machte.

»Professor McDonald. Du weißt schon, Egghead McMuffin. Ich hätte schon vor einer Woche einen Aufsatz über Keats bei ihm abgeben sollen. Hat er mich gesehen?«

Ich warf einen Blick hinüber. Auf der anderen Seite des von der Nachmittagssonne gesprenkelten Rasens war der Professor abrupt stehen geblieben, streckte wie Lord Kitchener den Zeigefinger aus und formte mit den Lippen das Wort »DU«.

»Äh. Ja.«

Ben schielte durch seine gespreizten Finger auf mich.

»Ja, vielleicht? Oder eher: ja, todsicher?«

»Ja, so sicher wie eine stattliche, tweedtragende, glatzköpfige schottische Scud-Rakete, die deine genauen Koordinaten kennt und über das Gras auf dich zugeschossen kommt, um dich zu vernichten.«

»Verstehe. Lass mich nachdenken ...«, murmelte Ben und schaute hinauf zu den Blättern des Baums, unter dem wir saßen.

»Hast du vor, auf den Baum zu klettern? Professor McDonald sieht nämlich so aus, als würde er notfalls bis zur Abenddämmerung auf die Feuerwehr warten.«

Ben ließ seinen Blick über die Reste des Mittagessens und unsere Taschen auf dem Boden schweifen, als könnten sie ihm die Lösung eingeben. Ich war nicht davon überzeugt, dass es ihm helfen würde, einem angesehenen Universitätsprofessor den Rucksack ins Gesicht zu schleudern. Schließlich blieb sein Blick an meiner rechten Hand hängen.

»Kann ich mir deinen Ring ausleihen?«

»Klar, aber er hat keine magischen Kräfte.« Ich zog ihn vom Finger und reichte ihn ihm.

»Stehst du mal auf?«

»Was?«

»Steh. Auf.«

Ich sprang auf und klopfte mir das Gras von den Jeans. Ben balancierte vor mir auf einem Knie und streckte mir den klobigen Silberring, den ich für vier Pfund auf dem Flohmarkt gekauft hatte, entgegen.

Ich fing zu lachen an. »Oh ... du Idiot.«

Professor McDonald hatte uns erreicht. »Ben Morgan ...!«

»Entschuldigen Sie, Sir, ich stecke gerade mitten in einer sehr wichtigen Angelegenheit.« Er wandte sich wieder zu mir um. »Ich weiß, wir sind erst zwanzig Jahre alt, und der Zeitpunkt dieses Heiratsantrags mag vielleicht durch ... äußere Umstände ein wenig Nachdruck erfahren haben. Aber ungeachtet dessen bist du einfach großartig. Ich weiß, ich werde für keine andere Frau jemals so empfinden wie für dich. Dieses Gefühl wird immer stärker und stärker und ...«

Professor McDonald verschränkte die Arme vor der Brust, doch er lächelte. Kaum zu fassen. Bens Chuzpe hatte wieder einmal gesiegt.

»Bist du sicher, dass dieses Gefühl nicht die Rache der Tortilla mit Mais und Dosenwürstchen ist, die du mit Kev gestern Abend gemacht hast?«, fragte ich.

»Nein! Mein Gott - du hast mich erobert. Ich spüre es in meinem Kopf, in meinem Herzen, in meinem Bauch ...«

»Vorsicht, junger Mann, ich würde mir den Rest dieser Aufzählung sparen«, meinte Professor McDonald. »Das Gewicht der Geschichte lastet auf Ihnen. Denken Sie an das Vermächtnis. Es sollte inspirieren.«

»Danke, Sir.«

»Du brauchst keine Frau, du brauchst ein Durchfallmittel«, sagte ich.

»Ich brauche dich. Was sagst du? Heirate mich. Eine einfache Zeremonie. Dann ziehst du zu mir. Ich besitze eine Luftmatratze und ein fleckiges Handtuch, das du zusammenrollen und als Kopfkissen benützen kannst. Und Kev arbeitet gerade an einem wunderbaren Rezept für Patatas bravas, bei dem man die Kartoffelstückchen in einer Tomatensuppe aus der Dose erhitzt.«

»Das ist ein tolles Angebot, Ben, aber nein danke.«

Ben wandte sich Professor McDonald zu. »Ich werde wohl Sonderurlaub wegen eines Trauerfalls brauchen.«


1

Ich komme ein wenig später als üblich nach Hause, und dieser spezielle Regen in Manchester, der gleichzeitig senkrecht und waagrecht fällt, schiebt mich zur Tür hinein. Ich trage so viel Wasser mit ins Haus, dass es sich anfühlt, als würde mich die Brandung wie einen Strang Seetang an den Fuß der Treppe spülen und dort hängen lassen.

Unser Haus ist freundlich und bescheiden, finde ich. Man erkennt innerhalb von Minuten, dass wir zwei kinderlose Berufstätige Anfang dreißig sind. Gerahmte Drucke von Rhys' musikalischen Helden. Shabby Chic mit Betonung auf Ersterem. Und glänzend dunkelblau lackierte Fußbodenleisten, die meine Mum zu der abfälligen Bemerkung veranlassten: »Sieht ein bisschen so aus wie im Gemeindezentrum.«

Im Haus riecht es nach Abendessen, würzig und warm, und trotzdem liegt eine bestimmte Kälte in der Luft. Noch bevor ich ihn zu Gesicht bekomme, weiß ich, dass Rhys schlecht gelaunt ist. Als ich in die Küche gehe, werde ich durch die Spannung in seinen Schultern und durch die Art, wie er sich über den Herd beugt, bestätigt.

»Guten Abend, Schatz«, sage ich, ziehe mein durchnässtes Haar aus dem Kragen und nehme den Schal ab. Ich fröstle, aber die Aussicht auf das Wochenende gibt mir Auftrieb. An einem Freitag ist alles ein wenig leichter zu ertragen.

Er knurrt etwas Unverständliches. Es könnte ein Hallo sein, aber ich will es nicht hinterfragen, um keinen Streit zu provozieren.

»Hast du die Steuerplakette?«, fragt er.

»Oh, Mist, das habe ich vergessen.«

Rhys wirbelt mit einem Messer in der Hand herum. Es war ein Verbrechen aus Leidenschaft, Euer Ehren. Wenn es um die Unterlagen der Kfz-Zulassungsstelle ging, konnte er Versäumnisse nicht ertragen.

»Ich habe dich gestern daran erinnert! Jetzt ist sie schon einen Tag überfällig.«

»Es tut mir leid. Ich erledige es morgen.«

»Du bist ja nicht diejenige, die jetzt illegal Auto fahren muss.«

Ich bin auch nicht diejenige, die vergessen hat, sich letztes Wochenende darum zu kümmern, laut seiner handschriftlichen Notiz im Kalender. Ich erwähne das aber nicht. Einspruch: Unterstellung.

»Sie schleppen die Autos ab und bringen sie auf den Schrottplatz, selbst wenn man nur auf dem Gehsteig parkt. Ohne Gnade. Gib mir nicht die Schuld, wenn sie unseren Wagen zu einer Größe zusammenpressen wie bei Noddy im Spielzeugland und du dann mit dem Bus fahren musst.«

Vor meinem geistigen Auge sehe ich mich als Noddy mit blauer Zipfelmütze und Glöckchen an der Spitze.

»Morgen früh. Mach dir keine Sorgen.«

Er dreht sich wieder um und hackt auf eine Paprikaschote ein. Ob er mich in dieser Paprikaschote sieht oder nicht, lässt sich nicht sagen. Mir fällt ein, dass ich etwas zur Beschwichtigung dabeihabe, und ich ziehe rasch die Flasche Rotwein aus der tropfenden Einkaufstüte von Oddbins.

Ich schenke zwei große Gläser ein und sage: »Prost, Onkel Willy.«

»Onkel Willy?«

»Noddys Freund. Nicht so wichtig. Wie war dein Tag?«

»Alles wie immer.«

Rhys arbeitet als Grafikdesigner für ein Marketingunternehmen. Und er hasst seinen Job. Noch mehr hasst er es, darüber zu reden. Er hört sich jedoch gern exklusiv reißerische Geschichten aus dem Strafgericht Manchester an.

»Nun, heute hat ein Mann, der ›lebenslänglich‹ ohne Bewährung gekriegt hat, das Urteil mit den unsterblichen Worten kommentiert: ›Das bekackte Arschloch soll zur Hölle fahren!‹«

»Haha. Und hat er recht?«

»Du meinst, ob das Urteil ungerecht war? Nein. Der Kerl hat einige Leute um die Ecke gebracht.«

»Kannst du in den Manchester Evening News ›bekacktes Arschloch‹ schreiben?«

»Nur mit Sternchen. Und ich musste die Ausdrücke der Angehörigen beschönigend als ›erregte Rufe von der Zuschauergalerie‹ umschreiben. Das einzige Wort über den Richter, das kein Schimpfwort war, lautete ›alt‹.«

Rhys trägt leise lachend sein Glas ins Wohnzimmer. Ich folge ihm.

»Ich habe heute ein paar Nachforschungen wegen der Musik angestellt«, erkläre ich und setze mich. »Mum hat sich bei mir darüber beklagt, dass auf der Hochzeit des Neffen von Margaret Drummond aus der Backgruppe ein DJ mit Basketballkappe misstönende Musik mit unanständigen Texten spielte, und das, noch bevor für die Blumenmädchen und Schleppenträger Schlafenszeit war.«

»Das hört sich großartig an. Kann sie uns seine Telefonnummer geben? Die Kappe sollte er vielleicht zu Hause lassen.« »Ich dachte, wir könnten einen Livesänger buchen. Jemand aus dem Büro hatte einen Elvis-Imitator engagiert. Er heißt Macclesfield Elvis und scheint richtig gut zu sein.«

Rhys' Miene verdüstert sich. »Ich will keinen alten Fettsack mit Pomade im Haar, der Love Me Tender trällert. Wir heiraten im Rathaus von Manchester und nicht in einer schäbigen Hochzeitskapelle in Vegas.«

Ich schlucke das hinunter, obwohl es mir nicht leichtfällt. Entschuldige, dass ich versucht habe, ein wenig Spaß in die Sache zu bringen.

»Oh. Okay. Ich dachte, es könnte witzig sein. Um ein bisschen Stimmung zu machen, verstehst du. An was hast du gedacht?«

Er zuckt die Schultern. »Keine Ahnung.«

Seine trotzige Miene und sein vielsagender Blick lassen mich vermuten, dass ich etwas übersehen habe. »Außer ... du möchtest selbst spielen?«

Er gibt vor, darüber nachzudenken. »Ja, ich schätze, das wäre eine Möglichkeit. Ich werde die Jungs fragen.«

Rhys' Band. Nenn sie einen Oasis-Abklatsch, und er bringt dich um. Dabei tragen die Jungs auch Parkas und zoffen sich ständig. Er hatte immer gehofft, mit seiner früheren Band in Sheffield den großen Durchbruch zu schaffen. Das, was er jetzt macht, ist nur noch das Hobby eines Mittdreißigers. Das wissen wir beide, aber wir sprechen es nicht aus. Ich habe immer akzeptiert, Rhys mit seiner Musik teilen zu müssen. Allerdings war ich nicht darauf vorbereitet, das auch an meinem Hochzeitstag zu tun.

»Du könntest vielleicht die erste halbe Stunde spielen, und danach übernimmt der DJ.«

Rhys verzieht das Gesicht. »Ich kann von den anderen nicht verlangen, dass sie proben und alles aufbauen und dann nur so kurz spielen.«

»Na gut, dann eben etwas länger, aber es ist unsere Hochzeit und kein Gig.«

Ich spüre, wie Gewitterwolken aufziehen und sich drohend zusammenballen. Gleich wird es richtig donnern. Ich kenne sein Temperament und diese Art von Auseinandersetzung wie meine Westentasche.

»Und ich will keinen DJ«, sagt er.

»Warum nicht?«

»DJs sind bescheuert.«

»Willst du selbst für die gesamte Musik sorgen?«

»Wir stellen etwas auf dem iPod zusammen, mit Spotify oder wie auch immer. Und lassen den Mix laufen.«

»Okay.« Ich sollte das Thema auf sich beruhen lassen, bis er bessere Laune hat, aber ich tu es nicht. »Dann sollten wir aber auch Songs von den Beatles und Abba für die ältere Generation reinnehmen, oder? Die können mit dem Fuckyou- I-won't-do-what-you-tell-me-Zeug und Verstärkergebrüll nichts anfangen.«

»Dancing Queen? Vergiss es. Selbst wenn dein Cousin Alan dazu ein Tänzchen aufs Parkett legt.« Er spitzt die Lippen und wedelt unnötig provokativ mit den Händen vor seinen Brustwarzen herum wie die Bauchrednerpuppe Orville the Duck.

»Warum machst du daraus so eine große Sache?«

»Ich dachte, du wolltest eine Hochzeit nach unseren eigenen Vorstellungen, so wie wir es uns wünschen. Da waren wir uns doch einig.«

»Ja, nach unseren Vorstellungen. Nicht nach deinen«, erwidere ich. »Ich möchte die Gelegenheit haben, mich mit unseren Freunden und Verwandten zu unterhalten. Es soll eine Party für alle sein.«

Mein Blick fällt auf den Verlobungsring. Warum wollten wir gleich noch mal heiraten? Vor ein paar Monaten feierten wir in einem griechischen Restaurant einen beträchtlichen Bonus, den Rhys bekommen hatte, und waren von den Verdauungsschnäpsen ein wenig beschwipst. Unter den vielen Ideen, wofür wir das Geld ausgeben könnten, tauchte auch die Hochzeit auf. Uns gefiel die Vorstellung, ein Fest zu feiern, und wir waren uns einig, dass es allmählich an der Zeit war. Es gab keinen Heiratsantrag. Rhys füllte lediglich mein Glas wieder auf, sagte »Verdammt, warum nicht?« und zwinkerte mir zu.

Diese Entscheidung fühlte sich an jenem Abend in dem warmen, lauten Lokal so sicher und richtig und naheliegend an. Wir sahen zu, wie die Bauchtänzerin ein paar Rentner von den Stühlen zog und sie dazu animierte, sich um sie zu drehen, und wir lachten, bis wir Bauchschmerzen bekamen. Ich liebte Rhys, und ich nehme an, dass in meiner Einwilligung der Gedanke mitschwang: Wen soll ich auch sonst heiraten? Zugegeben, wir führten eine Beziehung mit einer unterschwellig rumorenden Unzufriedenheit. Aber wie bei Schimmelflecken in einer feuchten Ecke des Badezimmers wäre ein großer Aufwand nötig, um etwas dagegen zu unternehmen, und irgendwie fanden wir nie die Zeit dafür.

Obwohl wir lange damit gewartet hatten, hatte ich nie daran gezweifelt, dass wir unsere Beziehung irgendwann amtlich machen würden. Rhys trug zwar immer noch seine wilde Mähne und die ewige Jugenduniform aus schmuddeligen T- Shirts mit aufgedruckten Bandnamen und abgewetzten Jeans und Chucks, aber ich wusste, darunter verbarg sich der Wunsch, vor dem Kinderkriegen einen Trauschein zu haben. Als wir nach Hause kamen, riefen wir beide unsere Eltern an, vorgeblich um unsere Freude mit ihnen zu teilen, vielleicht aber auch nur, um keinen Rückzieher mehr machen zu können, wenn wir wieder nüchtern waren. Kein Mondschein und keine Sonaten, aber, wie Rhys sagen würde, daraus besteht das Leben nicht.

Inzwischen verbinde ich mit diesem Tag, der der schönste unseres Lebens sein soll, etliche Kompromisse und unterdrückte Gereiztheit und befürchte, dass Rhys sich mit seinen Bandkollegen zusammenrotten und sich allen anderen gegenüber distanziert verhalten wird. Genauso wie er sich bei unserer ersten Begegnung gegeben hat, als mein unerfahrenes Herz nur von dem Wunsch erfüllt war, zu seiner Clique zu gehören. »Wie lange noch wird die Band die dritte Person in dieser Beziehung sein? Wirst du ständig beim Proben sein, während ich mit einem schreienden Baby zu Hause sitze?«

Rhys nimmt das Weinglas von seinen Lippen. »Was soll das denn jetzt? Muss ich ein anderer Mensch werden, etwas aufgeben, das ich liebe, um gut genug für dich zu sein?«

»Das habe ich nicht gesagt. Ich bin nur der Meinung, dass die Musik mit deiner Band an unserem Hochzeitstag nicht wichtiger sein sollte als unser Zusammensein.«

»Ha. Wir werden danach noch unser ganzes Leben zusammen verbringen.«

Er sagt das so, als handle es sich um eine Gefängnisstrafe in Strangeways mit sexuellen Übergriffen in der Dusche, Hofdrill um sechs Uhr morgens und nach draußen geschmuggelten Botschaften. Lässt. Mich. Nicht. Ins. Pub.

Ich atme tief ein und spüre eine schwere Last in meinem Brustkorb, einen Schmerz, den ich vielleicht in Wein ertränken kann. In der Vergangenheit hat das funktioniert.

»Ich bin mir nicht sicher, ob diese Hochzeit eine gute Idee ist.«

Jetzt ist es raus. Der quälende Gedanke hat sich vom Unterbewusstsein ins Bewusstsein geschoben und sich weiter nach vorne gedrängt, bis er schließlich aus meinem Mund gesprudelt ist. Es überrascht mich, dass ich das nicht rückgängig machen will.

Rhys zuckt die Schultern. »Ich habe dir ja vorgeschlagen, ins Ausland abzuhauen. Du wolltest unbedingt hier heiraten.«

»Nein, ich meine, ich halte es für keine gute Idee, jetzt zu heiraten.«

»Tja, es wird verdammt komisch aussehen, wenn wir alles absagen.«

»Das ist kein Grund, es durchzuziehen.«

Gib mir einen Grund. Sende ich gerade verzweifelte verschlüsselte Botschaften aus? Mir wird klar, dass ich soeben etwas begriffen habe, aufgewacht bin und dass Rhys die Dringlichkeit der Sache nicht erkennt. Ich habe etwas gesagt, das zu den Dingen gehört, die wir normalerweise nicht ansprechen. Aber sich zu weigern, es zu hören, genügt nicht als Antwort.

Er seufzt übertrieben und drückt damit ohne Worte aus, wie ermüdend die schrecklichen Prüfungen des Lebens mit mir sind.

»Wie auch immer. Seit du nach Hause gekommen bist, suchst du Streit.«

»Nein, das ist nicht wahr!«

»Und jetzt schmollst du und zwingst mir einen DJ auf, der irgendeinen Mist für dich und deine bescheuerten Freunde auflegt, während ihr euch betrinkt. Gut. Buch ihn, mach alles so, wie du willst. Ich habe keine Lust, mich mit dir deswegen zu streiten.«

»Bescheuert?«

Rhys trinkt einen Schluck Wein und steht auf. »Ich werde mich weiter ums Abendessen kümmern.« »Glaubst du nicht, es sollte uns zu denken geben, dass wir uns nicht einmal darüber einig werden können?«

Unwillig setzt er sich wieder. »Meine Güte, Rachel, mach doch kein Drama daraus. Ich habe eine anstrengende Woche hinter mir und keine Energie für einen Wutanfall.«

Ich bin auch müde, aber nicht von den fünf Tagen Arbeit. Ich bin erschöpft von dem ständigen Bemühen, so zu tun, als ob. Wir stehen kurz davor, Tausende Pfund für diese Heuchelei auszugeben, vor all den Leuten, die uns am besten kennen. Bei der Aussicht darauf wird mir furchtbar mulmig. Das Dumme ist nur, dass Rhys' Verständnislosigkeit nachvollziehbar ist. Er verhält sich wie üblich. Alles wie gehabt. Irgendetwas in mir ist gebrochen. Ein Teil meiner Maschinerie hat den Geist aufgegeben, so wie ein zuverlässiges Gerät, das läuft und läuft, bis es eines Tages ganz plötzlich streikt. »Es ist keine gute Idee zu heiraten. Punkt«, sage ich. »Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es eine gute Idee ist, dass wir zusammen sind. Wir sind nicht glücklich.«

Rhys wirkt leicht verdutzt. Dann verschließt sich seine Miene, und er setzt seine Trotzmaske auf. »Du bist nicht glücklich? «

»Nein, ich bin nicht glücklich. Bist du es?«

Er schließt die Augen, seufzt und kneift sich in den Nasenrücken. »Im Augenblick nicht. Merkwürdigerweise.«

»Überhaupt?«, bohre ich nach.

»Was meinst du mit glücklich? Zugekifft in einer durchsichtigen Bluse über eine Wiese tanzen und Gänseblümchen pflücken? Nein, dann bin ich es nicht. Ich liebe dich, und ich dachte, du liebst mich genug, um dir ein wenig Mühe zu geben. Aber anscheinend habe ich mich getäuscht.«

»Es gibt einen Mittelweg zwischen bekifft Gänseblümchen pflücken und sich ständig zanken.«

»Werd endlich erwachsen, Rachel.«

Rhys' Standardreaktion auf alle meine Zweifel ist ein schroffes »Werd endlich erwachsen« oder »Vergiss es einfach. Jeder weiß, dass Beziehungen nun mal so sind. Du hast unrealistische Erwartungen«. Ich mochte seine Bestimmtheit. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.

»Es reicht nicht«, sage ich.

»Was soll das heißen? Willst du etwa ausziehen?«

»Ja.«

»Das glaube ich dir nicht.«

Ich kann es auch nicht glauben. Nicht nach all den Jahren. Das nenne ich Geschwindigkeit - von null auf hundertachtzig, von nichts zur Trennung in wenigen Minuten. Von der Beschleunigungskraft habe ich schon Hamsterbacken. Wahrscheinlich haben wir deshalb so lange gebraucht, bis wir uns zur Planung unserer Hochzeit aufraffen konnten. Wir wussten, dass dabei bestimmte verschwommene Ahnungen plötzlich schärfere Konturen bekommen würden.

»Ich werde mich morgen auf die Suche nach einer Wohnung machen.«

»Ist das alles? Nach dreizehn Jahren?«, fragt er. »Du willst die Hochzeit nicht so haben wie ich - das war's, leb wohl?«

»Es geht nicht wirklich um die Hochzeit.«

»Merkwürdig, dass du dir dieser Probleme in einem Moment bewusst wirst, in dem du deinen Willen nicht durchsetzen kannst. Ich kann mich nicht erinnern, dass du dein Verhalten so ... ›kritisch hinterfragt‹ hast, als ich dir den Ring gekauft habe.«

Damit hat er nicht ganz unrecht. Habe ich diesen Streit provoziert, um einen Grund zu haben? Habe ich tatsächlich triftige Gründe? Ich werde unsicher. Vielleicht wache ich morgen auf und halte das alles für einen Fehler. Möglicherweise wird sich diese dunkle, apokalyptische Wolke der schrecklichen Klarheit verziehen wie der Regen, der draußen immer noch herunterprasselt. Vielleicht könnten wir morgen Mittag essen gehen, unsere gemeinsame Auswahl an Songs auf eine Serviette kritzeln und uns wieder dafür begeistern ...

»Okay ... wenn das alles funktionieren soll, müssen wir einiges ändern. Wir müssen aufhören, ständig aufeinander loszugehen. Wir sollten zu einem Paartherapeuten gehen oder so etwas.«

Wenn er mir nur einen Millimeter entgegenkommt, bleibe ich. So erbärmlich ist meine Entschlossenheit.

Rhys runzelt die Stirn. »Ich werde mich nicht hinsetzen und zuhören, wie du einem bebrillten Seelenklempner erzählst, dass ich dich mies behandle. Ich werde die Hochzeit nicht verschieben. Entweder ziehen wir das jetzt durch, oder wir vergessen es.«

»Ich spreche über unsere gemeinsame Zukunft und darüber, ob wir überhaupt eine haben, und du machst dir darüber Sorgen, was die Leute sagen werden, wenn wir die Hochzeit absagen?«

»Du bist nicht die Einzige, die Ultimaten stellen kann.«

»Ist das ein Spiel?«

»Wenn du dir nach dieser langen Zeit nicht sicher bist, wirst du es niemals sein. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«

»Wie du willst«, erwidere ich mit zittriger Stimme.

»Nein, wie du willst«, faucht er. »Wie immer. Nach allem, was ich für dich aufgegeben habe.«

Das bringt mich auf die Palme. In mir macht sich die Art von Zorn breit, bei dem man in die Luft schießt, als hätte man Raketenwerfer an den Füßen. »Du hast nichts für mich aufgegeben! Du hast selbst entschieden, nach Manchester zu ziehen. Du tust so, als stünde ich so verdammt tief in deiner Schuld und könne das nie wiedergutmachen. Das ist Schwachsinn! Eure Band hätte sich ohnehin aufgelöst! Gib mir nicht die Schuld daran, dass du es nicht geschafft hast!«

»Du bist eine selbstsüchtige, verzogene Göre«, brüllt er und steht ebenfalls auf, weil es weniger wirkungsvoll ist, im Sitzen herumzuschreien. »Es geht immer nur darum, was du willst, und du denkst dabei nie daran, was die anderen aufgeben müssen, um dir deine Wünsche zu erfüllen. Mit der Hochzeit machst du es genauso. Du gehörst zu der schlimmsten Sorte von Egoisten, weil du dich nicht dafür hältst. Und was die Band betrifft: Wie kannst du verdammt noch einmal behaupten, du wüsstest, wie sich die Dinge entwickelt hätten? Wenn ich noch mal von vorn anfangen und alles anders machen könnte ...«

»Ach ja? Was dann?«, kreische ich.

Wir stehen beide heftig atmend da, ein aussichtsloser Zweikampf, in dem Worte als Waffen dienen.

»Gut. In Ordnung«, sagte Rhys schließlich. »Ich fahre über das Wochenende nach Hause - ich habe keine Lust, hierzubleiben und mir diesen Mist anzuhören. Schau dich nach einer anderen Wohnung um.«

Ich lasse mich auf das Sofa fallen und lege die Hände in den Schoß. Ich lausche den Geräuschen, während er oben herumstampft und seine Reisetasche packt. Tränen laufen mir über die Wangen und tropfen in den Ausschnitt meines T-Shirts, das gerade ein wenig getrocknet war. Ich höre Rhys in der Küche und begreife, dass er die Herdplatte unter dem Topf mit dem Chili ausmacht. Irgendwie ist dieser kleine Moment der Umsicht schlimmer als alles, was er noch sagen könnte. Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen.

Nach einigen Minuten schrecke ich durch seine Stimme direkt neben mir hoch.

»Gibt es einen anderen?«

Ich richte meinen Blick aus tränenverschleierten Augen auf ihn. »Was?«

»Du hast mich schon verstanden. Gibt es einen anderen?«

»Natürlich nicht.«

Rhys zögert und fügt dann hinzu: »Ich weiß nicht, warum du jetzt weinst. Das ist doch, was du wolltest.«

Er schlägt die Haustür so fest hinter sich zu, dass es wie ein Pistolenschuss klingt.