Im Palazzo der Leidenschaft

Im Palazzo der Leidenschaft
Produktcode: AD5490
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Produktbeschreibung

Nur zögernd betritt Nicoletta den Palazzo der mächtigen Familie Scarletti. Die junge Heilerin kennt die Gerüchte, die in dem kleinen italienischen Dorf kursieren: Ein Fluch soll auf der Familie liegen - denn alle Bräute der Scarlettis kamen unter mysteriösen Umständen ums Leben. Als Nicoletta aber dem Hausherrn Don Giovanni gegenübersteht, ist schnell alle Furcht vergessen, so sehr fühlt sie sich zu dem geheimnisvollen Adeligen hingezogen. Noch nie hat sie so für einen Mann empfunden, seine Berührungen scheinen ihre Haut in Flammen zu setzen. Doch als er sie zu seiner Frau nehmen will, häufen sich plötzlich die dunklen Vorzeichen ... Wird der Fluch sich erfüllen und auch Nicoletta ihre Liebe mit dem Leben bezahlen?
 

Klappentext zu „Im Palazzo der Leidenschaft“

Nur zögernd betritt Nicoletta den Palazzo der mächtigen Familie Scarletti. Die junge Heilerin kennt die Gerüchte, die in dem kleinen italienischen Dorf kursieren: Ein Fluch soll auf der Familie liegen denn alle Bräute der Scarlettis kamen unter mysteriösen Umständen ums Leben. Als Nicoletta aber dem Hausherrn Don Giovanni gegenübersteht, ist schnell alle Furcht vergessen, so sehr fühlt sie sich zu dem geheimnisvollen Adeligen hingezogen. Noch nie hat sie so für einen Mann empfunden, seine Berührungen scheinen ihre Haut in Flammen zu setzen. Doch als er sie zu seiner Frau nehmen will, häufen sich plötzlich die dunklen Vorzeichen Wird der Fluch sich erfüllen und auch Nicoletta ihre Liebe mit dem Leben bezahlen?

Bibliografische Angaben

2013, 416 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
Verlag: Mira Taschenbuch im Cora Verlag
ISBN-10: 3862787281
ISBN-13: 9783862787289

Rezension

Hypnotisierend und eindringlich Diese geheimnisvolle Geschichte wird Sie in ihren Bann ziehen (Romantic Times)

Autoren-Porträt von Christine Feehan

Christine Feehan wurde in Kalifornien geboren, wo sie heute noch mit ihrem Mann und ihren elf Kindern lebt. Sie begann bereits als Kind zu schreiben und hat seit 1999 mehr als dreißig Romane veröffentlicht, die in den USA mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet wurden und regelmäßig auf den Bestsellerlisten landen.

 

Lese-Probe

Im Palazzo der Leidenschaft von Christine Feehan
Übersetzer: Ralph Sander


1. KAPITEL

Der Rabe zog seine Bahnen entlang der Steilküste. Unter ihm schlugen die Wellen gegen die Klippe, und jede schien ein Stück höher zu steigen als die vorangegangenen, so als würden sie wutentbrannt versuchen, nach dem schwarzen Vogel zu greifen. Der änderte seinen Kurs und flog langsam kreisend über Felder voller Wildblumen, weiter über karge Hänge bis hin zur Baumgrenze. Dabei schien er keinem bestimmten Ziel zu folgen, während er langsam über den Himmel glitt und die schwarzen Federn auf seinem Rücken im Licht der allmählich untergehenden Sonne glänzten. Wolken zogen so vom Horizont herauf, als würden sie dem Vogel folgen, um das Land mit einem grauen Schleier zu überziehen.

Kaum hatte der Rabe den Wald erreicht, änderte er sein Verhalten und jagte zwischen den Ästen hindurch und um die Baumstämme herum, als wolle er sich ein Wettrennen mit der Sonne liefern. Einer fast geraden Linie folgend, hielt er auf einen Hain auf der anderen Seite des Bergs zu, um ganz gezielt einen dicken, knorrigen Ast anzufliegen. Dort ließ er sich nieder, legte beinahe majestätisch die Flügel an und betrachtete mit seinen glänzenden Augen interessiert die zierliche Frau, die sich unter dem Baum aufhielt.

Nicoletta verteilte sorgfältig Erde rings um den Farn, den sie an diesen Ort umgepflanzt hatte. Hier war der Boden fruchtbarer als bei ihr zu Hause, und er würde es ihr ermöglichen, ihre dringend benötigten, jedoch seltenen Pflanzen sprießen zu lassen. Die daraus gewonnenen Extrakte dienten ihr als Arzneien für die Menschen in den Dörfern und auf den umliegenden Bauernhöfen. Was einmal als ein kleiner, am Hang gelegener Garten begonnen hatte, war längst zu einer aufwendigen und zeitraubenden Beschäftigung geworden, musste sie doch alle Kräuter und Blumen umsetzen, die sie für ihre verschiedenen Heilmittel benötigte. Mit bloßen Händen hatte sie tief in die lockere Erde gegraben, während ihr die intensiven Aromen der Kräuter in die Nase stiegen. Ein Farbenmeer der Pflanzen, die sie hier gesät hatte, begegnete ihr, wohin sie den Blick auch richtete.

Plötzlich schauderte sie, da ein blasser Schatten die letzten wärmenden Sonnenstrahlen von ihr abhielt. Gleichzeitig entstand vor ihrem geistigen Auge das Bild eines unheilvollen Vorzeichens, das von einer drohenden Katastrophe kündete. Betont langsam richtete sich Nicoletta auf, klopfte die feuchte Erde von den Händen und von ihrem langen, weiten Rock, erst dann hob sie den Kopf und betrachtete den Vogel, der hoch über ihr ganz still auf einem Ast saß und sie anschaute.

"Dann bist du also gekommen, um mich zu rufen", sprach sie laut. Ihre Stimme klang in der Stille des Hains sanft und heiser zugleich. "Du überbringst mir nie gute Nachrichten, aber das verzeihe ich dir."

Der Rabe wandte nicht den Blick von ihr, seine kleinen runden Augen funkelten lebhaft. Ein verirrter Sonnenstrahl strich über ihn und ließ sein schwarzes Gefieder für einen winzigen Moment schillern, ehe die grauen Wolken sich ganz vor die Sonne schoben.

Seufzend strich sie sich ihr langes, zerzaustes Haar aus dem Gesicht, das über ihren Schultern gleich einem Wasserfall bis tief in ihren Rücken fiel und sogar noch bis über ihre schmale Taille reichte. Ein paar kleine Zweige hatten sich in den seidigen Strähnen verfangen. So wie sie barfüßig dastand, so wild und unbändig, mit ihren dunklen Augen und den von der Sonne gebräunten, zierlichen Gesichtszügen, erschien sie so geheimnisvoll und mystisch wie der schweigsame Rabe. Man hätte sie für eine junge hübsche Hexe halten können, die in ihrem üppigen, exotischen Garten stand und Zaubereien bewirkte.

Der Vogel sperrte den Schnabel auf und stieß ein lautes Krächzen aus, das in der Stille dieser Idylle in den Ohren wehtat. Einen Moment lang stellten die Insekten ihr unablässiges Summen ein, und die Erde selbst schien gebannt den Atem anzuhalten.

"Ich komme ja, ich komme ja", sagte Nicoletta, griff nach einer Tasche aus dünnem Leder und hob den Kopf, um zum Himmel über ihr zu schauen. Sie streckte die Arme aus und drehte sich in jede der vier Himmelsrichtungen. Der Wind zupfte an ihrer Kleidung und fing sich in ihren Haaren, die sich wie ein Umhang um sie legten. Hastig machte sie sich daran, Blätter und Samenkörner verschiedener Pflanzen zu sammeln, um sie zu den getrockneten und gemahlenen Kräutern und Beeren zu geben, die sich bereits in ihrem Arzneibeutel befanden.

Sie lief den schmalen Trampelpfad hinunter. Ihre Röcke blieben immer wieder an den Büschen hängen, der Wind zerrte an ihren Haaren, dennoch bahnte sie sich problemlos ihren Weg durch den dichten Wald. Nicht ein einziges Mal kamen ihre zierlichen Füße mit einem Stein oder einer Wurzel in Berührung, die nur darauf zu warten schienen, sie zu Fall bringen zu können. Als sie sich einem Bach näherte, raffte sie kurzerhand ihren langen Rock bis zu den Knien und lief geschwind über die glatten, aus dem Wasser ragenden Steine im Bachbett. Nur hier und da ließ sie eine kleine Welle in die Höhe spritzen, die einem Regen aus funkelnden Diamanten glich.

Der Wald wich Wiesen, die wiederum kargen Felsen Platz machten, je näher sie dem Meer kam. Sie konnte die Brandung der Wellen hören, die so unablässig an die Klippen schlugen, als wollten sie um jeden Preis die gewaltigen Gipfel abtragen. Nicoletta unterbrach kurz ihren Weg ins Tal und blieb stehen, um einen Blick auf den ausladenden Palazzo zu werfen, der auf der nächsten Klippe über der tobenden See thronte. Das Bauwerk war immens und von erlesener Schönheit, gleichzeitig aber auch düster und unheilvoll, wie es sich dort aus den Schatten erhob. Man tuschelte, dass die großen Säle so manches Geheimnis in sich bargen und dass es für alle Fälle Geheimgänge gab, die einen direkt bis ans Meer führten.

Der Palazzo war mehrere Stockwerke hoch, es gab Giebel, Türme und hohe Terrassen, und dann war da auch noch der berüchtigte große Hauptturm, über den man sich erzählte, dass er ein Gefängnis darstellte. Das Bauwerk auf der Klippe setzte sich aus schmalen, ineinandergreifenden Steinen zusammen, deren ungewöhnliche Anordnungen etwas zu bedeuten schienen, anstatt lediglich die Mauern mit großen Fenstern zu unterbrechen. Diese Portale mit ihren fremdartigen Mustern lenkten einerseits jedes Mal Nicolettas Aufmerksamkeit auf sich und lösten andererseits bei ihr das Gefühl aus, beobachtet zu werden. In die Traufen, die Giebel und sogar in den Hauptturm waren stumme Wächter aus Stein eingelassen, Ehrfurcht gebietende Wasserspeier, die ihre Flügel ausgestreckt hielten und mit leeren, starren Augen die Landschaft betrachteten.

Nicoletta schüttelte den Kopf, da sie es nicht wagte, noch länger zu trödeln. Eine innere Stimme trieb sie zur Eile an. Sie drehte dem Palazzo den Rücken zu und folgte rasch dem Pfad, der von der Küste zurück ins Landesinnere führte. Die ersten Gebäude tauchten in Sichtweite auf, kleine, gepflegte Bauernhöfe und Häuser. Sie liebte deren Anblick genauso wie die Menschen, die dort lebten.

Eine ältere Frau kam ihr entgegen, als sie den Marktplatz der kleinen Siedlung erreichte. "Nicoletta! Sieh dich nur an! Wo sind denn deine Schuhe? Schnell, Kleine, du musst dich sputen!" Die Frau, die sie Kleine nannte, sprach oft in einem ermahnenden Ton, doch gleichzeitig begann sie, behutsam Zweige und Blätter aus Nicolettas langem Haar zu ziehen. "Schnell, dein Schuhwerk! Du musst dein Haar in Ordnung bringen, während wir weitergehen."

Lächelnd beugte Nicoletta sich vor, um der Frau einen Kuss auf die faltige Wange zu drücken. "Maria Pia, du bist der Sonnenschein in meinem Leben. Trotzdem habe ich keine Ahnung, wo meine Sandalen sind." Sie musste sie irgendwo unterwegs ausgezogen haben, womöglich bevor sie den Bach überquert hatte.

Mit einem leisen Seufzer entgegnete Maria Pia Sigmora: "Mädchen, du bist zwar unsere Heilerin, aber eines Tages wirst du noch unser Tod sein."

Nicoletta war der ganze Stolz, das Leben und das Geheimnis des Dorfes. Sie war unbezähmbar, so wie der Wind oder das Wasser, das man mit seinen Händen auch nicht halten konnte. Die ältere Frau hob einen Arm und winkte in Richtung der am nächsten gelegenen Hütte. Sofort ertönte ausgelassenes Gelächter, und ein kleines Kind kam mit einem Paar dünner Ledersandalen aus der Behausung herausgelaufen. Die Schnüre zog es beim Rennen hinter sich her.

Kichernd drückte das dunkelhaarige Mädchen Nicoletta die Schuhe in die Hand. "Wir haben gewusst, dass du sie verlieren wirst", erklärte es.

Unwillkürlich begann Nicoletta zu lachen, was so sanft und so melodisch klang wie das Plätschern des Wassers in einem der umliegenden Bäche. "Ketsia, du kleiner Kobold, jetzt sieh zu, dass du verschwindest, und hör auf, mich aufzuziehen."

Maria Pia folgte bereits dem schmalen Pfad, der zurück zu den Klippen führte. "Beeil dich, Nicoletta, und flechte dein Haar. Ein Tuch, Mädchen! Du musst deinen Kopf bedecken. Und nimm mein Schultertuch. Du darfst keine Aufmerksamkeit auf dich lenken." Sie rief ihr die Anweisungen über die Schulter zu, da sie mit zügigen Schritten davoneilte. Obwohl sie alt war, hatte sie noch immer das Tempo einer jungen Frau an sich, so gut war sie daran gewöhnt, die steilen Hügel zu bezwingen.

Nicoletta hielt mühelos mit ihr mit. Die Sandalen hatte sie an den Schnüren zusammengeknotet und um den Hals gelegt, nun war sie damit beschäftigt, mit flinken Fingern einen Zopf zu flechten. Den rollte sie schließlich hoch und bedeckte ihren Kopf mit einem dünnen Tuch. "Gehen wir zum Palazzo della Morte?", fragte sie.

Abrupt drehte sich Maria Pia um, warf ihr einen entrüsteten Blick zu und zischte sie an: "Sag so etwas nicht, Kleine. Das bringt Unglück."

"Du gehst doch davon aus, dass alles Unglück bringt", meinte sie und legte sich das ausgefranste schwarze Tuch der Alten um die Schultern, damit ihre nackten Arme bedeckt waren.

"Es bringt Unglück", beharrte Maria Pia. "Du darfst solche Dinge nicht sagen. Falls er das zu hören bekommt ..."

"Es hat damit gar nichts zu tun", beharrte Nicoletta. "Und wer wird ihm erzählen, was ich gesagt habe? Es ist kein Unglück, das den Frauen den Tod bringt, die dort arbeiten gehen. Dahinter steckt etwas anderes."

Hastig bekreuzigte sich Maria Pia und blickte um sich. "Sei lieber vorsichtig, Nicoletta. Diese Hügel haben Ohren. Alles wird ihm berichtet, und ohne seine Großzügigkeit wären unsere Leute obdachlos und ohne jeden Schutz."

"Deshalb müssen wir uns mit Il Demonio einig werden und beten, dass er keinen zu hohen Preis fordert." Zum ersten Mal klang Nicoletta verbittert.

Einen Moment lang blieb Maria Pia stehen und griff nach dem Arm der jungen Frau. "Denk so etwas noch nicht einmal, Kleine. Man sagt ihm nach, er könne Gedanken lesen", warnte sie mit sanfter, liebevoller Stimme und einem traurigen Ausdruck in den Augen.

"Wie viele unserer Frauen und Kinder soll dieser Ort noch verschlingen, ehe Ruhe einkehrt?", fragte Nicoletta, deren dunkle Augen vor Wut aufblitzten. "Müssen wir unsere Schulden mit unserem Leben bezahlen?"

"Ruhig", drängte Maria Pia. "Du wirst ins Dorf zurückkehren, denn wenn du so denkst, kannst du mich auf keinen Fall begleiten."

Nicoletta ging mit hoch erhobenem Haupt und gestrafften Schultern an der älteren Frau vorbei, jeder Schritt ließ ihren Zorn erkennen. "Als ob ich dich allein zu Signore Morte gehen lassen würde! Ohne mich kannst du das kranke Mädchen nicht retten, das fühle ich, Maria Pia. Wenn sie überleben soll, muss ich mitkommen." Sie ignorierte Maria Pias ungläubige Reaktion darauf, dass sie unumwunden zugab, etwas zu wissen, was ihnen bislang gar nicht anvertraut worden war. Als Maria Pia sich daraufhin bekreuzigte und die gleiche Geste auch in Nicolettas Richtung andeutete, musste die sich ein Lächeln verkneifen.

Ein feiner Sprühregen wurde von der schäumenden See hochgewirbelt, und winzigste Tröpfchen Salzwasser klammerten sich an der Kleidung fest. Der Wind war jetzt heftiger geworden und schlug ihnen vom Meer her mit solcher Wucht entgegen, als versuchte er, ihr Vorankommen zu verhindern. Sie waren gezwungen, langsamer zu gehen und gut aufzupassen, wo sie auf dem kaum benutzten Weg zum wuchtigen Palazzo hintraten. Gerade eben hatten sie eine schmale, steile Klippe genommen, die aus der See herausragte, als sie auf einmal das beeindruckende Bauwerk vor sich sahen. In diesem Moment versank die Sonne hinter dem Horizont und färbte den Himmel blutrot.

Maria Pia stieß einen erschrockenen Schrei aus, als sie dieses Rot sah, das für sie als ein Vorzeichen für Katastrophen und Tod galt. Leise stöhnend schwankte sie auf dem felsigen Untergrund vor und zurück, während sie sich am Kreuz festklammerte, das sie an ihrer Halskette trug. "Wir begeben uns in unsere Verdammnis."

Nicoletta legte schützend einen Arm um die Schulter der anderen Frau und sah sie mitfühlend an. "Nein, das werden wir nicht. Ich werde dich nicht verlieren, Maria Pia. Ganz bestimmt nicht. Er kann dich nicht so verschlucken, wie er es mit den anderen gemacht hat! Ich werde mich als zu stark für ihn und seine schrecklichen Verwünschungen erweisen."

Der heulende Wind zerrte an ihrer Kleidung, als ereifere er sich über ihre aufsässig ausgesprochenen Worte.

"Sag nicht so etwas, Mädchen. Es ist gefährlich, solche Dinge laut auszusprechen." Maria Pia drückte den Rücken durch. "Ich bin eine alte Frau. Es ist besser, wenn ich allein hingehe. Ich habe mein Leben bereits gelebt, Nicoletta. Deines dagegen beginnt gerade erst."

"Der Palazzo della Morte hat mir meine Mutter und meine Tante genommen, aber er wird nicht auch noch dich verschlucken. Das lasse ich nicht zu!", versprach sie ihr voller Eifer und Inbrunst und schleuderte jedes Wort dem Sturm entgegen. "Ich werde dich wie üblich begleiten, und er kann sich zum Teufel scheren."

Entsetzt schnappte die ältere Frau nach Luft und schickte für Nicoletta drei Stoßgebete zum Himmel, ehe sie auf dem Pfad weiterging. Der Wind brüllte seinen Zorn über Nicolettas Trotz hinaus und fegte tosend durch den Pass zwischen zwei Klippen, wobei er einige kleinere Steine mitriss, die auf die beiden Frauen herabregneten. Umsichtig legte Nicoletta einen Arm um den Kopf ihrer Begleiterin, während sie beide weitereilten.

"Hat er sogar Macht über die Berge?", rief Maria Pia. Ihre Worte wurden von einer Böe erfasst und weggerissen.

"Ist dir etwas passiert?", fragte Nicoletta besorgt und tastete die Frau nach möglichen Verletzungen ab. Ihre Berührungen waren sanft und beruhigend, auch wenn in ihrem Inneren die Wut hochkochte.

"Nein, nein, es ist alles in Ordnung", beteuerte Maria Pia. "Was ist mit dir?"

Nicoletta zuckte mit den Schultern. Ihr Arm fühlte sich im Augenblick taub an, doch sie war von keinem allzu großen Stein getroffen worden und konnte von Glück reden, dass sie mit einem blauen Fleck davongekommen war. Sie befanden sich mittlerweile auf dem Gelände des Palazzos. Über ihnen waren die Wolken so finster und bedrohlich, als würden sie direkt aus einem Hexenkessel aufsteigen.

Alles war mit langen, dunklen Schatten überzogen, die sich über jeden Busch und Baum und jede Statue legten, während sich vor ihnen das funkelnde Anwesen mit seinem gewaltigen Hauptturm bis in den Himmel zu strecken schien. Beeindruckend große und etwas kleinere, zierlichere Statuen standen auf dem Gelände verteilt. Aus Stein waren auch die immensen Mauern rings um das Labyrinth und die Gärten. In der Mitte der kreisrunden Plätze standen zwei ausladende, mit Gold verzierte Marmorbrunnen, auf denen sich heidnische Gottheiten mit Schwingen tummelten.

Ein tadellos gepflegter Weg führte zum Schlosstor, dem die beiden Frauen folgten. Die Statuen schienen sie anzustarren, und der Wind versuchte unverändert Nicoletta und Maria Pia zurückzutreiben. Das Tor wies gewaltige Ausmaße auf und war mit kunstvollen Schnitzereien überzogen. Nicoletta betrachtete sie interessiert, während Maria Pia an ihrer Kleidung herumzupfte, damit ihr Körper so züchtig bedeckt war, wie es sich gehörte. "Deine Schuhe, Mädchen", zischte sie ihr zu.

Der unerbittliche Wind ließ sie beide schaudern, das Tor strahlte eine unheilvolle Düsternis aus. Unwillkürlich dachte Nicoletta, die Schnitzereien stellten verlorene Seelen dar, die in den Flammen der Hölle um Hilfe schrien, doch sie wusste, ihre Fantasie ging jedes Mal mit ihr durch, wenn sie sich in der Nähe des Palazzos aufhielt. Maria Pia hob den schweren Türklopfer an und ließ ihn gegen das Holz fallen, was einen hohlen, klagenden Schall verursachte.

Hastig zog Nicoletta die Sandalen an und band die Schnüre um ihre Knöchel, da öffnete sich auch schon lautlos das Tor. Im geräumigen Empfangssaal gleich dahinter brannten in Wandhaltern unzählige Kerzen, deren flackerndes, tanzendes Licht den langen Gang und die gewölbeartige Decke in groteske Schatten tauchte. Der Mann, der ihnen geöffnet hatte, war von großer, hagerer Statur, seine Wangen wirkten eingefallen, sein Haar war grau meliert. Die dunklen Augen erfassten die beiden Besucherinnen mit einem Anflug von Missbilligung, doch sein Gesicht zeigte keine Regung. "Hier entlang."

Einen Moment standen die beiden Frauen wie angewurzelt da, dann machte Nicoletta einen Schritt nach vorn und betrat den Palazzo. Im gleichen Augenblick schien sich die Erde unter ihren Füßen zu bewegen. Das Erzittern war kaum feststellbar gewesen, und dennoch schwankten die Kerzen leicht. Die Flammen machten einen winzigen Satz, als wollten sie eine Warnung ausrufen. Ein wenig Wachs tropfte auf den Boden.

Maria Pia und Nicoletta sahen sich an, die ältere Frau drehte sich schließlich dem Gebäude zu und bekreuzigte sich in diese Richtung. Gleich danach wiederholte sie die Geste hin zur Dunkelheit und zum heulenden Wind.

Der Diener wandte sich ihnen zu, als Zeichen seiner erneuten Aufforderung, ihm zu folgen. Sofort setzte sich Maria Pia in Bewegung, drückte dabei jedoch den Rücken durch, um Selbstsicherheit und Würde auszustrahlen. Nicoletta zeigte genau die gegenteilige Reaktion, indem sie die Schultern sinken ließ und sich klein machte. Nervös sah sie nach links und rechts, zog den Kopf ein, ihre dünnen Sandalen verursachten auf dem Marmorboden kein Geräusch. Alles diente dem Zweck, die Aufmerksamkeit nicht auf sich zu lenken, um für die schlichte Schülerin der "Heilerin" gehalten zu werden.

Der Mann führte sie durch den Palazzo und bog dabei so oft mal nach links, mal nach rechts und durchquerte so viele Korridore, Seitengänge und Räume von unterschiedlicher Größe, dass sich ein durchschnittlicher Besucher keine Orientierungspunkte hätte einprägen können, um den zurückgelegten Weg nachvollziehen zu können. Trotz dieser Umstände wirkte Maria Pia ruhig und gefasst, denn sie wusste, sie konnte sich auf Nicoletta verlassen, wenn es darum ging, den Weg nach draußen zu finden.

Das Innere des Palazzos war ein atemberaubend harmonisches Zusammenspiel von handwerklicher Vollkommenheit, Fantasie und Kunst. Die Wände bestanden aus glattem, rosé-weißem Marmor, die Decken waren gewölbt und wurden immer wieder von gewaltigen Kuppeln unterbrochen, während der Boden durchgehend mit weißen Marmorplatten ausgelegt war, die sich nahtlos ineinander fügten und sich unter ihren Füßen unfassbar glatt anfühlten. Überall fanden sich Skulpturen und andere Kunstwerke, von denen viele große geflügelte Kreaturen zeigten, die den Hort des Teufels bewachten. Alkoven und Portale präsentierten kunstvolle Schnitzereien von Engeln und Dämonen. Pferde und mythische Kreaturen waren über den Türbogen und entlang der Wände zu sehen. Riesige Säulen reckten sich der Decke entgegen, und überhaupt war jeder weitere Raum, den sie durchquerten, noch etwas größer und etwas prächtiger dekoriert als der vorangegangene. Die Kerzen ließen die stummen Skulpturen beinah lebendig wirken, als sie mit leeren Augen auf sie herabsahen.

Ein Heulen hallte durch die Korridore und Gänge, und als sie schließlich um eine Ecke bogen, stießen sie auf zwei Frauen, die sich aneinanderklammerten. Die Jüngere schluchzte hemmungslos, die Ältere weinte leise. Ein junger Mann stand hilflos daneben, offenbar auch von Trauer erfasst, da er mit einer Hand sein Gesicht bedeckte. Ein flüchtiger Blick genügte Nicoletta, um zu erkennen, dass sie alle von hoher Geburt waren. Ihre Kleidung war fast verschwenderisch, die Frisuren saßen trotz der offenbar unerfreulichen Situation tadellos. Aus einem unerfindlichen Grund prägte sich ihr gerade diese Beobachtung besonders deutlich ein. Die beiden Frauen waren ihr vom Sehen bekannt, da sie oft mit ihren Dienern ins Dorf kamen, um Stoffe für ihre Schneiderin zu holen. Die ältere Frau war höchstens fünfunddreißig, vermutlich deutlich jünger, sie war hübsch, aber gab sich meist abweisend. Portia Scarletti und ihre Tochter Margerita. Portia war verwitwet und mit den Scarlettis nur entfernt verwandt, dennoch hatte sie die meiste Zeit ihres Lebens im Palazzo verbracht. Die Tochter war vielleicht fünfzehn oder sechzehn und behandelte die Mädchen im Dorf äußerst hochnäsig. Den jungen Mann kannte Nicoletta ebenfalls: Vincente Scarletti, jüngster Bruder des Don. Rasch schaute sie zur Seite und versuchte, noch inniger mit dem Dunkel des Korridors zu verschmelzen.


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