Aufgebügelt Roman Andrea Schnidt zurück auf Los!

Aufgebügelt  Roman    Andrea Schnidt zurück auf Los!
Produktcode: AD5474
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Produktbeschreibung

Andrea Schnidt zurück auf Los!

Andrea hat es ja so gewollt:
Nach 16 Ehejahren sind sie und Christoph getrennt. Nur blöd, dass sowohl ihr verwitweter Schwiegervater Rudi als auch ihr Ex gleich schon wieder eine Neue haben. Also los, denkt sich Andrea: Ein neuer Mann muss her! Und so macht sie sich auf die Suche: Kontaktanzeigen, Internet, Ü-40-Partys und nicht zu vergessen - ihre kuppelnden Freudinnen. Aber Andrea ist ganz aus der Übung - wie ging das noch mal mit dem Daten?

Mit viel Humor, Witz und Fingerspitzengefühl begleitet Susanne Fröhlich Andrea Schnidt in die Welt des Datings und stellt dabei fest: Manchmal kommt es doch ganz anders, als man denkt!
 

Klappentext zu „Aufgebügelt“

Der neue Roman von Bestsellerautorin Susanne Fröhlich
Zurück auf Los - Andrea Schnidt auf Männersuche!
Andrea hat es ja so gewollt: Sie und Christoph sind getrennt. Doch irgendwie hat Andrea sich das doch anders vorgestellt. Nicht nur ihr verwitweter Schwiegervater Rudi, sondern auch ihr Ex haben beide gleich schon wieder eine Neue. So ist das eben bei den Männern sie sind nicht gerne alleine. Aber Andrea irgendwie auch nicht wirklich. Also los, denkt sich Andrea. Ein neuer Mann muss her! Und so macht sich Andrea auf die Suche: Kontaktanzeigen, Internet, Ü-40-Partys und nicht zu vergessen ihre kuppelnden Freundinnen. Aber Andrea ist ganz aus der Übung wie ging das noch mal mit dem Daten?
Mit viel Humor, Witz und Fingerspitzengefühl begleitet Susanne Fröhlich Andrea Schnidt in die Welt des Datings und stellt dabei fest: Manchmal kommt es doch ganz anders als man denkt!
"Irgendwie verdammt sympathisch, diese Fröhlich..." Bild

Bibliografische Angaben

2013, 288 Seiten, Maße: 13,3 x 19,5 cm, Gebunden, Deutsch
Verlag: FISCHER Krüger
ISBN-10: 3810506745
ISBN-13: 9783810506740

Autoren-Porträt von Susanne Fröhlich

Susanne Fröhlich, geboren 1962 in Frankfurt am Main, ist erfolgreiche Fernseh- und Rundfunkmoderatorin. Sie hat mehrere Sachbücher und Romane geschrieben, die alle zu Bestsellern wurden. Susanne Fröhlich lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern im Taunus.

 

Lese-Probe

Aufgebügelt von Susanne Fröhlich




»Moin, Andrea! Hör ma, des is mer jetzt irschendwie peinlich, aber isch muss dich ema was frage«, begrüßt mich Rudi in meiner Küche.

Seit Christoph ausgezogen ist, gehört das tägliche gemeinsame Frühstück zu unseren festen Ritualen. Kaum sind die Kinder aus dem Haus, setzen wir uns noch mal hin und versuchen, so einigermaßen entspannt in den Alltag zu starten.

»Du weißt doch, du kannst mich fragen, was immer du willst!«, antworte ich und schmiere mir eine hauchdünne Schicht Nutella aufs Brot.

Ich liebe Nutella und vor allem Nutella mit Butter drunter. Das ist der Nachteil an unserem morgendlichen Meeting. Früher habe ich ganz aufs Frühstück verzichtet und so wenigstens die Kalorien am Morgen eingespart.

»Also des is, wie schon gesacht, also irschendwie unangenehm, aber isch weiß net, wen isch sonst frache könnt!«, startet mein Schwiegervater einen erneuten Anlauf. Das ist typisch für Rudi, er macht gerne ein riesiges Bohei um jedes Thema.

»Frag halt!«, sage ich und schmiere mir schon die nächste Scheibe Toast.

Wer um alles in der Welt hat bloß das Toastbrot erfunden? Man isst und isst und isst und hat trotzdem das Gefühl, gar nichts gegessen zu haben.

»Rudi, ab morgen essen wir Vollkornbrot oder Müsli mit Obst«, entscheide ich, denn wenn das so weitergeht, hat mein Körper bald auch die Konsistenz eines Toastbrots, weiß und wabbelig, und sollte ich ihn tatsächlich doch noch mal zum Einsatz bringen - ein sehr heikles Thema, nebenbei bemerkt -, wäre mir das extrem unangenehm.

»Eier mit Speck wärn mir liebä, aber von mir aus auch Müsli. Körner solle ja gut sein. Isch muss misch ja fit halte! Grad jetzt. Aber zurück zu dem annern Thema. Also, Andrea, es geht dadrum ... Ach, isch sachs jetzt einfach emal grad heraus: Hast du schon ema was mit Handschelle gemacht?«

Habe ich das jetzt richtig verstanden? Handschellen? Mein Schwiegervater, der Vater meines Ex, fragt mich nach Handschellen?

»Rudi, hast du gerade Handschellen gesagt?«, frage ich zur Sicherheit noch mal nach und habe so auch einen kleinen Moment, um meine Fassung wiederzuerlangen.

Mein Schwiegervater hat einen knallroten Kopf, kann mir nicht in die Augen schauen, aber er nickt eindeutig.

»Ja hab isch! Handschelle!«, platzt es aus ihm heraus.

Ich ahne, was er meint, will es aber doch noch mal genau wissen: »Das hat aber jetzt nichts mit Polizei, Verhaftung oder Ähnlichem zu tun, oder?«, stammle ich, um ein wenig Zeit zu gewinnen. Natürlich ist mir völlig klar, dass Rudi keineswegs irgendwas in dieser Richtung meint. Wir kennen uns ja schon ein bisschen länger, und wenn ich eine kriminelle Ader hätte und schon mal verhaftet worden wäre, wüsste er das längst.

»Nee. Handschellen und ... Na ja, also beim Sex halt!«, erklärt er mir.

Mittlerweile ist Rudis Kopf so knallrot, dass ich schon Angst um seinen Blutdruck bekomme. Nicht dass der mir hier beim Frühstück einen Schlaganfall kriegt! In meinem Kopf beginnen sich unangenehme Bilder zu tummeln: Mein Schwiegervater an die Heizung gekettet und bis auf die Handschellen splitterfasernackt. Oder an die Bettpfosten. Eventuell auch Hände auf dem Rücken. Ich versuche, sofort diese scheußlichen Gedanken zu verdrängen.

Rudi interpretiert mein Schweigen anders: »Isch hab's dir doch gesacht, es is peinlisch, aber wen soll isch dann sonst frage?«

Ja, es ist peinlich, aber es ist noch mehr als das. Mein Schwiegervater in den Siebzigern fragt mich nach Handschellen, und ich im besten Endvierziger-Alter habe seit Jahren weder mit noch ohne Handschellen irgendwas getrieben, was im weitesten Sinne mit Sex zu tun hat. Um ganz ehrlich zu sein, in den letzten vier Jahren meiner Beziehung lief auch nicht viel. Ich bin also fast fünf Jahre raus aus dem aktiven Geschehen - jedenfalls in dieser Hinsicht.

»Bist du jetzt sauer, Andrea?«, unterbricht Rudi meine Gedanken und macht sein Hau-mich-nicht-ich-habe-esdoch- nicht-so-gemeint-Gesicht.

Natürlich bin ich nicht sauer. Wieso auch? Eher maßlos erstaunt. Wie kommt Rudi bloß auf eine solche Idee? Gehört das etwa mittlerweile zum Sex-Basisprogramm? Kann sich in ein paar Jahren so viel verändert haben? Gab's so was früher nicht doch eher nur in ganz bestimmten Kreisen? Abteilung Sadomaso? Fetisch und Co?

»Was willst du denn mit Handschellen? Man kommt doch auch ohne im Bett ganz gut zurecht!«, frage ich vorsichtig.

»Ach, isch bin gar net heiß auf Handschellen und so 'nen Kram, aber die Irene hat so was angedeutet, die hat da so ein Buch gelese und deshalb will se des ach ma ausprobiern! «

Mir dämmert es. Was wird Irene wohl gelesen haben? Shades of Grey wahrscheinlich. Den Mega-Bestseller, den mir meine Nachbarin Anita zum letzten Geburtstag geschenkt hat. Und weil alle wie verrückt geschwärmt haben, immer mit leicht entrücktem Gesicht und einem frivolen Grinsen, habe ich das Buch natürlich auch artig gelesen. Ich war, ehrlich gesagt, ein bisschen enttäuscht. Braves, junges Ding, Studentin - klar! - aber natürlich auch bildschön, selbstverständlich noch ohne jegliche sexuelle Erfahrung, ganz unberührt, lernt durch Zufall unglaublich reichen Milliardär kennen, der aufgrund seiner traumatischen Vergangenheit nichts mit Blümchensex (Das ist dann wohl die Bezeichnung für das, was naive Menschen wie ich so treiben) anfangen kann und sie als devote Gespielin will - nach seinen Regeln ...

Es gibt ordentlich Sex, ab und an mal was auf den Po, die ein oder andere Handschelle, Tücher, Reitgerten, Vibratoren und vieles mehr. Na ja, aber umgeworfen hat es mich nicht. Und mit meinen Phantasien hat es auch eher wenig zu tun. Der Gedanke, dass mir jemand den Hintern versohlt, so dass ich am nächsten Tag kaum mehr sitzen kann, ist mit meiner Idee von Erotik irgendwie nicht kompatibel. Ich bin und bleibe spießig, obwohl bei genauem Hinsehen Shades of Grey selbst irrsinnig spießig ist. Eigentlich eine Art Märchen, denn die Geschichte wäre weitaus weniger spektakulär, wenn der Milliardär ein Klempner wäre, als Geschenk kein schickes Auto, sondern einen Strauß Blumen von der Tanke mitbringen und in einer Zweizimmerwohnung hausen würde.

»Du meinst bestimmt dieses Shades of Grey«, sage ich zu Rudi, und wieder nickt er nur.

»Sie hat es mir mitgegebe, damit isch mich in die Materie einarbeite kann, aber ma ehrlich, Andrea, so was hat die Inge nie gewollt. Bei uns war alles, na ja, halt mehr so normal. Oft, aber normal. Was mer halt so macht, gell. Isch weiß schon ma net, wo mer überhaupt Handschelle und so was kaufe kann.«

Oh, bitte, jetzt keine Details aus dem Sexleben meiner verstorbenen Schwiegermutter und Rudi. Da geht es mir wie meinen Kindern, man will sich Eltern einfach nicht beim Kamasutra vorstellen. Ich möchte weder über Stellungen noch über Frequenz diskutieren. Eltern sind irgendwie geschlechtslos und sollten das bitte auch bleiben.

»Keine Details, Rudi!«, sage ich deshalb schnell, bin aber doch ein bisschen neugierig und frage gleich nach: »Wer soll denn die Handschellen tragen, du oder deine Irene?«

Irene ist Rudis neue Freundin. Hätte mir jemand noch vor einem Jahr gesagt, dass Rudi mal eine Freundin haben würde, hätte ich nur gelacht. Rudi hat so wahnsinnig um seine Frau getrauert, eine neue Bindung schien völlig unvorstellbar. Aber da sieht man es mal wieder. Männer sind nun mal nicht gern allein. Doch dass ausgerechnet Rudi sich so schnell wieder verlieben würde, hätte ich nie gedacht. Davon mal abgesehen ist Rudi wirklich vieles, aber sicherlich nicht besonders attraktiv. Und auch keine irrsinnig gute Partie. Er hat eine ganz ordentliche Rente, aber keineswegs spektakulär, ist nicht gerade groß und hat kaum mehr Haare auf dem Kopf. Er ist definitiv ein liebenswürdiger und großherziger Mann, aber keiner, der auf den ersten Blick viel hermacht. Rudi hat seine Irene im Kochkurs kennengelernt und sich quasi schockverliebt. Auch sie ist, wie Rudi, verwitwet. Laut Rudi ist Irene fast wie seine Inge. Als die beiden anbändelten, war ich zugegebenermaßen ziemlich skeptisch.

Aber Rudi hat mich mit seiner Verliebtheit überzeugt. »Isch hab die Irene aanfach sehr lieb, die is e wunderbare Frau un hat en riesisches Herz! Un ma ehrlisch, so groß is die Auswahl für mich ach net mehr!«

Da ist natürlich argumentativ was dran. Als ich die beiden das erste Mal gemeinsam erlebt habe, war mir klar, was Rudi so an Irene gefällt. Sie ähnelt seiner Inge, ist klein, rundlich und lieb. Ich gönne ihm sein neu gewonnenes Liebesleben durchaus, aber irgendwie hat mich seine Verliebtheit auch enttäuscht. Ich dachte, er sei der Typ für die eine, wirklich große Liebe, die auch den Tod überdauert und keinen Raum für eine neue lässt. Ich weiß, das klingt ein wenig pathetisch, aber es hätte halt etwas Tröstliches gehabt. Dass da jemand ist, sogar ein Mann, der so unbeschreiblich stark lieben kann - das hätte mir gefallen. Rudi sieht das wesentlich pragmatischer.

»Mer kann jemand Neues lieben, ohne die alte Liebe zu verraten. Die Irene is net die Inge, des weiß isch, des seh isch, des spür isch, un es is trotzdem gut. Es tut mer gut. Isch verkümmer sonst.«

Um mir besser unter die Arme greifen zu können, hat Rudi kurz vor Christophs Auszug angefangen, regelmäßig einen Kochkurs der Volkshochschule zu besuchen. »Wenn de net da bist, Andrea, da kann isch den Kindern doch ebe mal was Scheenes zu esse mache!«

Eine Geste, die mich damals unglaublich angerührt hat. Rudi und ich sind ein ausgesprochen gutes Team. Wir haben uns einfach gern. Trotzdem war ich verwundert, als er beim Auszug seines Sohnes darauf beharrt hat, bei mir zu bleiben. Christoph auch. Er konnte es kaum fassen. Aber Rudi war entschlossen: »Die Andrea kann mich jetzt werklisch brauche, un wenischstens weiß isch, wohin isch gehör!« Das war für Rudis Verhältnisse eine ziemlich drastische Aussage. Christoph hat sich gefügt. Was blieb ihm auch anderes übrig. Ich glaube aber auch nicht, dass er ernsthaft mit seinem Vater allein in einer Männer-WG wohnen wollte, trotzdem war er ein bisschen beleidigt.

Seit ziemlich genau einem Jahr lebt Christoph nun in der früheren Wohnung von Rudi und Inge. Die ersten Wochen hat er tatsächlich in seinem alten Kinderzimmer verbracht. Mittlerweile hat er sich aber neu eingerichtet. Das weiß ich alles nur aus zweiter Hand, von meinen Kindern. Ich selbst habe wenig Lust, die Wohnung zu betreten. Warum auch? Schließlich bin ich nicht mehr zuständig. Weder fürs Putzen noch für die Deko. Für gar nichts mehr. Das alles ging sehr viel schneller, als ich mir hätte vorstellen können. An sich war der Auszug auch nur als Übergang gedacht, als Bedenkzeit sozusagen - wir wollten mal sehen, wie es sich entwickelt.
Trennung zur Klärung. Aber auch befristet gedachte Arrangements können sich zeitlich verselbständigen. Christoph hat am Anfang noch ab und an davon gesprochen, was wir ändern könnten, wie unser Leben wieder in die Bahn kommen könnte. Sein Ausdruck: »In die Bahn.«

Warum gerade in die Bahn, habe ich nur gedacht, genau die hat mich doch immer gestört: die Bahn! Bahn klingt eingefahren, und genau das war es auch, was mich verrückt gemacht hat - diese Gleichförmigkeit, dieses Berechenbare und dadurch auch so unsagbar Langweilige. Nach gut drei Monaten war auch das Zurück-in-dieBahn- Thema erledigt. Die neue Bahn, das Alleinleben ohne spürbare Verpflichtungen und vor allem auch ohne mich, schienen Christoph zu gefallen. »Lass uns abwarten! «, hat er entschieden.

Nur worauf warten? Auf eine Eingebung, einen plötzlichen Hormoneinschuss oder auf die große Rückbesinnung? Seitdem ist mein Herz irgendwie leer. Nicht, wie man immer sagt, schwer, aber leer. Das fühlt sich fast schlimmer an. In mir rührt sich so gar nichts.

Dabei war ich zu Anfang noch recht optimistisch. Sprüche wie: »Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine neue«, erschienen mir geradezu wegweisend. Vor allem, weil ich kurz vor unserer Trennung Herrn Reimer kennengelernt habe. Bastian, den Fußballtrainer meines Sohnes. Den großen, gutaussehenden Bastian, der mir so tatkräftig zur Seite gestanden hat, als es meinem Sohn schlechtging. Der mir ziemlich unverhohlen seine Zuneigung zeigte. Der an meiner Seite war, als es Christoph, mein Mann, hätte sein müssen. Bastian, mein Hoffnungsschimmer am Horizont.

»Ja, Andrea, hat's dir jetzt die Sprache verschlache, soll ich misch an jemand anneren wende? Es tut mer leid, wenn isch irschendwie indiskret war«, reißt Rudi mich aus meinen Erinnerungen.

»Nein, ist schon okay, also, es macht mir nichts aus. Ich war nur kurz ganz woanders mit meinen Gedanken, aber was das Thema angeht ... Also, auf dem Gebiet hab ich leider keine Ahnung, oder zum Glück keine Ahnung«, antworte ich, während ich mir mechanisch einen weiteren Toast mit Nutella schmiere. Ab morgen wird dieses Haus eine toastbrotfreie Zone sein, heute kommt es dann auf eine Scheibe mehr oder weniger auch nicht mehr an. Es ist wirklich erstaunlich, mit wie wenigen Bissen man so eine Toastbrotscheibe verschlingen kann. Man könnte sie sich auch direkt mit der Nutella-Butter-Seite auf den Bauch oder wahlweise auf die Hüften drücken. Bei der Konsistenz würde sie wahrscheinlich mit dem Bauchspeck verschmelzen oder verwachsen. Dabei hatte ich in den ersten vier Monaten nach Christophs Auszug herrlich abgenommen. Einfach so, ohne Diät. Als würde ich eine Hülle abwerfen, Ballast. Aber der verdammte Speck ist sehr anhänglich. Wo er sich mal wohl gefühlt hat, will er wieder hin - und bei mir scheint es besonders schön zu sein. Momentan bin ich wieder kräftig am Aufspecken.

»Es tut mir leid, Rudi, da kann ich dir echt nicht helfen, mit diesem Handschellenkram. Probier es einfach aus, und dann, wenn du magst, erzählst du mir davon, damit ich mal was lerne! Und mal ehrlich, du musst doch auch nichts machen, was du nicht willst«, gebe ich mir Mühe, meinen Schwiegervater zu beruhigen. Er nickt, und nach und nach nimmt sein Kopf wieder eine normale Farbe an.

Ich habe heute frei - na ja, soweit man einen normalen Tag mit zwei Kindern und einem Haushalt als frei bezeichnen kann.

»Soll isch heut für uns kochen?«, fragt mich Rudi.

Seit er seinen Kochkurs besucht hat, betätigt er sich gerne in der Küche, und zu meinem Erstaunen kann der Mann, der früher kaum ein Frühstücksei kochen konnte, die dollsten Gerichte zubereiten. Man sieht: Lernfähig sind selbst Männer - und das sogar noch in hohem Alter.

»Vielleischt könntest de mer im Geschezug mein gutes Hemd uffbüscheln, des is so angeknittert, aber noch zu gut zum Wasche!«

Aufbügeln! Was für ein antiquierter Ausdruck. Ich gehöre auch mal aufgebügelt, schießt es mir durch den Kopf, aber ich verspreche Rudi, mich um sein Hemd zu kümmern.

Wir sind heute Nachmittag eingeladen. Die ganze Familie. Also das, was an Kernfamilie davon übrig ist. Die Kinder und ich. Auch Rudi darf mit. Von Bastian. Genauer gesagt, von Bastians Eltern.

Und das kam so: Ich habe Bastian ab und an gesehen. Ganz harmlos. Schon allein deshalb, weil mein Sohn bei ihm in der Mannschaft kickt. Da Mark allerdings seit geraumer Zeit nicht mehr ganz so regelmäßig zum Training geht, sondern lieber 'ne Runde chillt, was nichts anderes bedeutet als rumzuliegen, haben Bastian und ich uns eher selten getroffen und dann auch nie mehr als nur ein paar nette Worte gewechselt. Aber er hat nicht lockergelassen, mir immer mal wieder eine SMS geschickt und um eine Verabredung gebeten. Vor vier Wochen habe ich ihn dann schließlich erhört. Habe endlich auf seine Datenanfrage geantwortet und zugesagt. Mir hat seine Beharrlichkeit gefallen. Und seine verständnisvolle Art. Das hat mir geschmeichelt und gutgetan.

Nach der Trennung war ich irgendwie so gar nicht in der Stimmung, direkt wieder ins Flirtgeschäft einzusteigen, und er konnte das verstehen. Du musst nichts überstürzen oder erklären, ich bin ein geduldiger Mann!, war eine seiner SMS-Antworten.

Im letzten Jahr ist einfach zu viel auf mich eingeprasselt. Zum einen die täglichen Anrufe meiner Mutter mit der immer gleichen Leier: »Andrea, du bist ja komplett verrückt geworden. Man wirft eine Ehe nicht einfach so weg, das wirst du bitter bereuen! Da draußen läuft viel Elend rum, aber der Christoph hat einen ordentlichen Beruf, der verdient gut, der kann euch ernähren - und jetzt machst du aus einer Laune heraus so einen Quatsch! Was tust du den Kindern an? Willst du dich jetzt etwa selbstverwirklichen? « Zum andern die wohlgemeinten Ratschläge von all meinen Freundinnen, die zunächst ganz anders klangen, bei genauem Hinhören aber genau dasselbe meinten wie meine Mutter: »Toll, dass du so mutig bist, aber ich hätte mich das nie getraut! Aber man muss auch bedenken: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, denn es ist wahrscheinlicher, von einem Tiger gefressen zu werden, als wieder einen Mann zu finden. Der Christoph ist doch eigentlich kein schlechter Mann - er hat dich doch nicht geschlagen! Und Sex wird überbewertet. Na ja, es gilt doch der alte Spruch: In guten wie in schlechten Tagen. Jede lange Beziehung hat mal eine Durststrecke. In unserem Alter allein sein ... Wer weiß, ob da jemals noch was kommt? Die guten Männer sind ja alle weg. Ich bewundere dich, aber ich kann nicht gut allein sein. Früher oder später kommt man doch immer an den Punkt ... Die große Leidenschaft kann man halt nicht mehr erwarten. Mir würde diese Sicherheit fehlen ...« Alles in allem war das, was ich da zu hören bekommen habe, nicht wirklich ermutigend. Auf einen Nenner gebracht, lautete die Botschaft: Man darf die Truppe nicht unerlaubt verlassen. Selbst schuld, wenn man es doch tut - dann muss man halt mit den unerfreulichen Konsequenzen leben. Dabei hätte ich ein wenig Zuspruch gut brauchen können. Es ist ja nicht so, dass ich selbst hundertprozentig glücklich mit meiner Entscheidung war - oder bin. Ich bin zutiefst verunsichert, und es gibt Tage, an denen ich am liebsten sofort bei Christoph anrufen und ihn bitten möchte, zurückzukommen. Schon damit wieder alles seine Ordnung hat und ich mich nicht ständig fragen muss, ob meine Entscheidung nicht doch vorschnell, naiv und unbedacht war. Was habe ich schließlich auch erwartet? Wir waren nun mal kein frisch verliebtes Paar mehr. Die Zeit hinterlässt halt ihre Spuren. Die Leidenschaft macht die Flatter, und an ihre Stelle rücken andere Dinge. Aber Sicherheit? Wäre da ein Bausparvertrag nicht die bessere Lösung? Ich will Liebe, keine Sicherheit. Als Beigabe gerne, aber doch nicht als Hauptsache.

Und dummerweise weiß ich auch nicht, ob er überhaupt zurückkommen würde. Ich frage ihn gar nicht erst, schließlich ahne ich insgeheim sogar, dass er es nicht tun würde. Warum auch? Für ihn scheint es prima zu laufen. Das macht die Sache für mich nicht besser, eher im Gegenteil. Dass er, nachdem er erst so entsetzt schien, sich so schnell mit der »Situation« arrangiert hat, ist frustrierend. Ich hätte mir mehr Kampfgeist gewünscht, überhaupt den Willen, mich zurückzuerobern - aber nach nur knapp einem Monat war Christoph scheinbar zufriedener als zuvor.


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