Ashford Park Adeline und Bea wachsen als beste Freundinnen auf. Doch der erste Weltkrieg verändert alles...

Ashford Park   Adeline und Bea wachsen als beste Freundinnen auf. Doch der erste Weltkrieg verändert alles...
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Produktbeschreibung

Adeline und Bea wachsen als beste Freundinnen auf. Doch der erste Weltkrieg verändert alles...

Ashford Park, England, 1906. Nach dem Tod ihrer Eltern wächst die kleine Adeline Gillecote-Ashford auf dem Landsitz von Onkel und Tante auf. Schnell wird ihre hübsche und durchtriebene Cousine Bea Addies beste Freundin. Obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten, gehen die beiden durch dick und dünn.

Doch dann kommt der erste Weltkrieg, und er verändert nicht nur das Land, sondern auch die Menschen. Frederick, den Addie heimlich verehrt, seit sie denken kann, kehrt zynisch und kalt zurück. Mit seiner Clique feiert er, als ob es kein Morgen gäbe, und in einer betrunkenen Nacht lässt er sich sogar mit Bea ein, die inzwischen in einer langweiligen, aber vorteilhaften Ehe steckt. Addie ist am Boden zerstört. Jahre später besucht sie Bea und Frederick in Kenia, wo sie inzwischen leben. Die Zuneigung zwischen Addie und Frederick flammt wieder auf.
 

Klappentext zu „Ashford Park“

Glossar: Die Hauptfiguren in „Ashford Park"

 

Clementine Evans: genannt Clemmie. Von außen scheint es so, als hätte Clemmie alles erreicht, wofür sie viele Jahre hart gearbeitet hat. Doch dann ist die 34-jährige New Yorker Anwältin plötzlich wieder Single, ihr Karrieresprung in der Kanzlei will nicht kommen und sie fühlt sich verdammt allein. Als auch ihre geliebte Großmutter Addie, immerhin stolze 99 Jahre, gesundheitlich angeschlagen und geistig verwirrt scheint, bringt sie das ziemlich aus dem Gleichgewicht; zumal sie infolge dessen auch mit einem Familiengeheimnis konfrontiert wird, das ihr den Boden unter den Füßen wegzieht. Es scheint nichts mehr richtig zu sein in ihrem Leben und sie muss sich entscheiden, ob sie wirklich wissen will, was es mit der Gillecote-Dynastie auf sich hat, von der ihr Cousin Jon ihr erzählt hat.

 

Addie: Großmutter von Clementine und Ziehschwester von Bea. Ihre Eltern starben 1906 bei einem Unfall und die kleine Addie, damals sechs Jahre alt, wuchs in der Familie ihres Onkels Charles, Lord Ashford, auf Ashford Park auf. Ihre Tante Vera ist kühl zu der keinen Addie, doch Bea, ihre Cousine, akzeptiert sie sofort als Schwester. Beide werden unzertrennlich, obwohl sie wie Tag und Nacht sind. Addie war immer die ernsthaftere von den beiden, interessierte sich für Literatur und hatte nicht viel übrig für oberflächliche Vergnügungen. Die Waise fühlte sich nach dem Tod der Eltern verloren und nie wirklich zu ihrer neuen Familie zugehörig. Als Jugendliche lernt sie - kurz vor dem Eintritt Englands in den Ersten Weltkrieg - Frederick Desborough kennen. Als sie sich nach dem Krieg 1920 wiederbegegnen, verliebt sich Addie ihn. Doch das Schicksal hat anderes mit den beiden vor und so geschieht, was eigentlich nicht geschehen dürfte: Frederick heiratet Bea und wandert mit ihr nach Kenia aus. Als Addie die beiden nach Jahren in Kenia besucht, erwachen die Gefühle für Frederick erneut ...

 

Bea: eine der Töchter von Lord und Lady Ashford, bildhübsch und sehr kontaktfreudig. Sie nimmt die kleine Addie unter ihre Fittiche - allerdings gibt sie in der Verbindung immer den Ton an. Trotzdem bewundert Addie Bea und ist ihr gegenüber immer loyal. Als die Mädchen heranwachsen, entflammt Beas Leidenschaft für das öffentliche Leben: Sie liebt Feste, klatscht und tratscht gerne über andere Menschen und wirkt stark und selbstbestimmt. Dennoch lässt sie sich auf zwei Ehen ein, in denen sie höchst unglücklich ist. Nach der ersten Scheidung geht sie mit ihrem Ehemann in den 1920er-Jahren nach Kenia, sucht in zahlreichen Liebschaften Erfüllung - ein Skandal zur damaligen Zeit. Doch ihre innere Leere kann keine Affäre vertreiben - wird sie jemals erfahren, wie sich wahre Liebe anfühlt? Und was wusste sie damals wirklich über Addies Gefühle zu Frederick?

 

Jon: eigentlich Jonathan, Annas Sohn und Clemmies Cousin. Der gutaussehende Professor, 37 Jahre alt und mit Ähnlichkeit zu Val Kilmer, lehrt an der Columbia britische Geschichte. Er und Clemmie hatten sich als Teenager ständig in den Haaren gelegen und es war so etwas wie ein Sport für sie, sich gegenseitig zu übertrumpfen. Vor Jahren trafen sie sich zufällig in Rom - und verbrachten eine Nacht zusammen. Danach hatten sie übereinstimmend beschlossen, Rom nie wieder zu erwähnen ... Da Jon seit Kurzem wieder in New York lebt und Clementine bei der Aufdeckung der Familiengeheimnisse beisteht, nähern sich beide wieder an. Auch Jon ist - wie Clemmie - frisch getrennt und hat Schwierigkeiten, sich wirklich zu binden, sich wirklich auf einen Menschen einzulassen. Das scheint in der Familie zu liegen ...

 

Frederick: Clemmies erste große Liebe. Frederick Desborough schwärmt wie Addie für Literatur und Kunst und ist ein sensibler junger Mann. Seine Teilnahme am Ersten Weltkrieg, die schrecklichen Erlebnisse dort, lassen ihn fast gebrochen zurückkehren. Er ist des Lebens überdrüssig und betäubt seine Verzweiflung mit Alkohol und Drogen. Nichts bedeutet ihm scheinbar noch etwas, auch Addie belächelt er und stößt sie zurück. Überstürzt heiratet er Bea, und das Paar wandert nach Kenia aus. Weg von all den Erinnerungen und weg von Addie. Als die das Paar nach Jahren in Afrika besucht, werden Frederick und Addie auf die Probe gestellt.

 

Majorie: Clemmies Mutter. Immer darauf bedacht, den Schein zu wahren und sehr davon abhängig, „was die Leute denken". Sie hat Clemmie jahrelang etwas sehr Wichtiges verheimlicht.

 

Anna: Clemmies Tante, achtmal verheiratet und sehr von sich überzeugt. Ihre Schwester Majorie ist nicht gut auf sie zu sprechen, doch Clemmie findet Tante Anna ganz in Ordnung; vor allem nach dieser seltsamen Begegnung an Grandma Addies Bett, als sie Addie gar nicht mehr erkannte und plötzlich Bea nannte. Anna ist die Erste, die Clemmie anbietet, ihr von ihrer Familiengeschichte zu erzählen - und damit kommt so einiges ins Rollen.

Autoren-Porträt



Lauren Willig

Die gebürtige New Yorkerin Lauren Willig hat ihre erste romantische Geschichte mit zarten sechs Jahren geschrieben. Sie liebte es zu lesen, in fremde Welten einzutauchen und dachte sich einfach gerne selbst solche aus - diese Leidenschaft begleitet sie bis heute. Mit neun schickte sie ihren ersten Roman an einen Verlag - es waren dreihundert handgeschriebene Seiten. Das Manuskript kam zwar mit einer Absage zurück, aber davon ließ sich Lauren nicht beeindrucken. Sie schrieb weiter und dachte sich ständig neue Geschichten aus.

Nach ihrer Schulzeit ging sie nach Yale (u. a. Politikwissenschaften), studierte weiter in Harvard Rechtswissenschaften, verschlang aber anstatt Fachliteratur lieber Shakespeare und verfasste Sonette. Es versteht sich also fast von selbst, dass sie ihren ersten Buchvertrag schon während des Studiums unterzeichnete. Mal eben „nebenbei" entstanden dann drei Bücher in drei Jahren - der Anfang ihrer „Pink Carnation"-Serie. Alles darin dreht sich um einen Kreis von Spionen zu Zeiten Napoleons - natürlich verlieben sich weibliche und männliche Spione ineinander -, und all das verwebt Lauren Willig jeweils mit der Geschichte einer jungen Frau, die heute lebt. Mantel-und-Degen-Romantik trifft Chick-Lit - diese „Mischung" kommt bestens an.

In ihrem ersten Job in einer Kanzlei in New York hielt sie es übrigens genau ein Jahr aus, dann beschloss sie, dass sich Buch-Deadlines und juristischer Berufsalltag einfach nicht vereinbaren lassen und lebte von da ab als Vollzeitautorin. Seitdem hat sie viel Zeit für das Schreiben und so wuchs die „Pink Carnation"-Serie rasch auf zehn Bücher an. 2013 veröffentlicht sie „Ashford Park", ein Buch außerhalb der „Pink"-Serie. Auch in diesem Liebes- und Familienroman erzählt Willig eine Geschichte über Jahrzehnte hinweg - so spielt „Ashford Park" sowohl im New York des Jahres 2000, aber auch in England um 1906 und in Kenia um 1926. Sie selbst bezeichnet es als: „,Downton Abbey' trifft ,Jenseits von Afrika'-Buch".

Lauren Willig lebt nach wie vor in New York und träumt davon, endlich einmal genug Bücherregale - und ein dementsprechend großes Apartment - zu besitzen, um all ihre Bücher auch wirklich darin unterzubringen, ohne dass sich ständig hohe Stapel vor der Couch, unter dem Küchentisch oder neben dem Bett bilden.

Lese-Probe

Ashford Park von Lauren Willig


Prolog
Kenia, 1926

Addies Handschuhe waren von Schweiß und rotem Staub beschmutzt.

Und nicht nur die Handschuhe. Sie schnitt ein Gesicht, als sie an sich hinunterschaute. Die zarte Perlmuttfarbe ihres Kostüms hatte sich in ein Rostbraun und Rußschwarz verwandelt. Selbst im spärlichen Licht, das das dichte Mückengitter an den Fenstern einließ, war zu erkennen, dass nichts mehr zu retten war. Das Ensemble war in London von bestechender Eleganz gewesen, hatte sich jedoch für die Reise quer durch Kenia als schlechte Wahl erwiesen.

Sie kam sich wie eine Idiotin vor. Was hatte sie sich nur gedacht? Das edle Stück hatte mehr gekostet, als sie in einem ganzen Monat verdiente. Es war eine sträfliche Extravaganz, zumal sie sich dieser Tage eher praktisch als modisch anzog. Einen ganzen Nachmittag lang hatte sie die Oxford Street hinauf und hinunter die Geschäfte abgeklappert und ein Kleid nach dem anderen anprobiert. Das eine war zu nichtssagend, das andere zu teuer, bis sie endlich das richtige gefunden hatte. Es kostete ein bisschen mehr, als sie sich eigentlich leisten konnte, doch mit Wohlwollen betrachtet hätte es sogar als Pariser Modell durchgehen können und nicht nur als zweite Wahl.

In ihrer kleinen Wohnung hatte sie vor dem Spiegel mit der komischen Wellenlinie in der Mitte wie ein Pfau posiert. Sie drehte sich hin und her, um die Gesamtwirkung zu genießen und sich von ihrer Fantasie hundert verlockende Bilder vorgaukeln zu lassen. Wie Bea am Bahnhof stand, um sie abzuholen, älter und gesetzter, das schimmernde goldblonde Haar von der heißen tropischen Sonne strohig geworden, die Figur weicher durch die Schwangerschaften. Wenn sie Addie in ihrem schicken neuen Kostüm mit der schicken neuen Frisur aus dem Zug steigen sah, würde sie erst einmal sprachlos sein vor Überraschung. Dann würde sie sie von links nach rechts und von rechts nach links drehen und die neue weltstädtische Eleganz, das gepflegte Haar, die ungewohnt gezupften Brauen bewundern.

Du bist erwachsen geworden, würde sie sagen, und mit dem feinsten Hauch eines spöttischen Lächelns, wie man es zur Cocktailstunde im Ritz sah, würde Addie antworten: So etwas soll vorkommen.

Dann würde hinter ihr jemand ‚Addie?' sagen und sie würde sich umdrehen und die staunende Bewunderung in Fredericks Gesicht sehen, wenn er in diesem Moment zum ersten Mal erkannte, was er in London zurückgelassen hatte.

Schweiß rann zwischen ihren Brüsten hinab und durchfeuchtete ihr Kleid. Sie brauchte gar nicht noch einmal an sich hinunterzusehen; sie wusste, dass der Stoff voller Flecken war, die sich beim Waschen höchstens gelb färben würden.

Da half nur noch ein schiefes Lächeln. Sie hatte so inbrünstig - und ein wenig gemein - gehofft, dass sie wenigstens einmal besser abschneiden und dass dieser bescheidene Abklatsch einer Couturekreation den Künsten der Schneider Nairobis den Rang ablaufen würde. Stattdessen stand sie nun hier wie ein begossener Pudel, fern allem, was vertraut und heimisch war, nach wochenlanger Schiffsfahrt und tagelanger Zuckelei quer durch die afrikanische Savanne. Einen Monat und eine Woche war sie unterwegs gewesen - und warum das Ganze?

Genau die Frage hatte David ihr vor ihrer Abreise gestellt. Warum?

Es war eine vernünftige und logische Frage, auf die sie im ersten Moment am liebsten aufbrausend geantwortet hätte, das gehe ihn gar nichts an. Aber es ging ihn natürlich an, und das wusste sie auch. Der Ring, den er ihr geschenkt hatte, hing an einem Kettchen um ihren Hals, noch nicht Zeichen einer Verlobung, aber doch einer Art Vor-Verlobung. Steck ihn mir an, wenn ich wieder da bin, hatte sie gesagt. Dann können wir sie bekanntgeben.

Aber warum sollen wir warten?, hatte er gefragt. Warum fährst du überhaupt?

Weil... hatte sie begonnen und gestockt. Wie sollte sie es ihm erklären, wenn sie selbst nicht genau wusste, warum? Sie murmelte etwas von Lieblingscousine, von alter Freundschaft, und dass Bea sie brauche und sie ihr etwas schulde.

Und deswegen musst du bis nach Afrika reisen? Er zog eine Augenbraue hoch, auf jene leicht spöttische Art, die seine Studenten fürchteten, wenn sie sich durch Erörterungen von Platos Politeia oder Aristoteles‘ Politik stotterten.

Vielleicht will ich reisen, weil ich reisen will, sagte sie scharf. Habe er das einmal bedacht? Dass sie den Wunsch haben könnte, wenigstens einmal in ihrem Leben über die Grenzen ihrer Heimat hinauszukommen? Den Wunsch, noch ein bisschen zu leben, ehe sie sich die Schürze umband und zum Heimchen am Herd wurde?

Ein billiges Argument, aber es hatte gesessen. Er hatte sich augenblicklich entschuldigt. David war ein sehr fortschrittlich denkender Mann. Das war eines der Dinge, die sie an ihm mochte, nein, die sie an ihm liebte. Er bewunderte sie tatsächlich dafür, dass sie arbeitete. Er bewunderte sie dafür, dass sie sich aus dem aristokratischen Korsett befreit hatte - so hatte er es formuliert - und ihr Leben selbst in die Hand nahm.

Er ahnte nicht, dass die Wahrheit weit komplizierter war, längst nicht so beeindruckend. Sie hatte sich weniger aus eigenem Antrieb befreit, sie war angetrieben worden und hatte nichts dagegen tun können.
Der arme David. Gebührend beschämt hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Afrikareise mit ihr zu planen und war jeden Abend zur Entschuldigung mit einem neuen Sühneopfer erschienen, einer Landkarte, einem Reiseführer, einem Fahrplan. Er stürzte sich in die Vorbereitungen, als wollte er und nicht sie die Reise unternehmen. Addie nickte und lächelte und täuschte ein Interesse vor, das nicht da war. Es nicht zu tun, wäre dem Eingeständnis gleichgekommen, dass die Frage immer noch unbeantwortet zwischen ihnen stand.

Warum?

Wenn sie es doch nur wüsste. Unter ihrem Topfhut klebte ihr das Haar am Kopf. Addie riss den Hut herunter und warf ihn auf das schmale Bett. Durch die Bewegung des Zuges hätte eigentlich eine kleine Brise entstehen müssen, doch die Mückenschutzgitter saßen stramm im Rahmen und die Maschen waren von dem roten Staub verklebt, der beinahe schlimmer war als die Mücken. Mit den heruntergelassenen Blenden war der Wagen dunkel und stickig, einem Viehwaggon ähnlicher als einem Abteil erster Klasse, und viel zu oft übertönte das schrille Heulen der Signalpfeife das Rattern der Räder auf den Gleisen.

Auf dem Bett kniend, kämpfte sie mit den Rollladen, bis sie sie oben hatte. Der Zug zuckelte stetig auf dem einspurigen Gleis dahin. ‚Die Eisenschlange' nannten ihn die Einheimischen, wie man ihr in Mombasa erklärt hatte, während sie im hektischen Gewimmel des Hafens herumgeschubst wurde und krampfhaft versuchte, bei ihrem Gepäck zu bleiben, das vom Schiff zum Zug befördert wurde. In der Ferne konnte sie eine Herde Tiere ausmachen, Rehen ähnlich, doch mit dünnen, hochgewachsenen Hörnern, die vom Getöse des Zugs erschreckt die Flucht ergriffen. Es war beinahe Mittag, und in der Äquatorsonne flimmerte die Landschaft in einer Art Dunst, wie hinter schlierigem Glas, so dass die fliehenden Tiere im Lauf zitternd zu verschwimmen schienen. Es erinnerte sie an ein impressionistisches Gemälde.

Sie hatte sich Afrika nie so satt grün, noch seinen Himmel so satt blau vorgestellt.

Ihre Bilder, soweit sie welche hatte, waren Schattierungen von Siena und gebrannter Umbra gewesen, Braun- und Orangetöne und dazwischen vielleicht ein paar Sprengsel Urwald, H. Rider Haggard und seinen in Afrika spielenden Abenteuerromanen zu Ehren. Vielleicht hätte sie sich mehr den Büchern und Karten widmen sollen, die David mitgebracht hatte, anstatt mit einer wohlbekannten Mischung aus Verpflichtung und Schuldgefühl, Zuneigung und Angst sein schmales angeregtes Gesicht im Lampenschein zu beobachten. Sie hatte sich kaum Gedanken über Afrika gemacht. Sie hätte Bücher darüber lesen, Leute danach fragen können, aber sie hatte sich nicht die Mühe gemacht. Wenn sie an die Reise nach Afrika gedacht hatte, dann hatten ihre Gedanken nicht Afrika gegolten.

Der Wind drehte und blies eine Rauchfahne direkt zu ihr hinein.

Vom beißenden Qualm musste sie husten. Schnell zog sie den Rollladen wieder hinunter. Ihr Taschentuch war schwarz, als sie es vom Gesicht nahm. Sie lief stolpernd in das kleine Bad und säuberte sich so gründlich wie möglich, wobei sie es vermied, in den Spiegel zu sehen.

So ein unscheinbares, fades Gesicht im Vergleich zu Beas strahlendem Liebreiz.

Die Debütantin der Dekade hatten die Zeitungen Bea genannt, voll Selbstzufriedenheit über die gelungene Alliteration. Sie war nicht nur einmal, sondern ein Dutzend Mal fotografiert worden: als Diana, als Circe, von Mondschein umflossen, als Braut in Spitzen und Orangenblüten.

Addie versuchte, sich an die Bea von damals zu erinnern, an die lebendig bewegten Züge, aber das Einzige, was sie sich vor Augen rufen konnte, war die kühle Schönheit einer steifen Porträtfotografie, silberblondes Haar, das glatt und glänzend um ein fein gemeißeltes Gesicht lag, einen Mund, der eine römische Göttin vor Neid hätte erblassen lassen, helle blaue Augen, grau getönt von der Palette des Fotografen. Sie hatte die Fotografie auf dem Kaminsims in ihrer kleinen Einzimmerwohnung stehen, der silberne Rahmen ein schreiender Gegensatz zu den feuchten Wänden, von denen die Farbe blätterte, ein Relikt aus einem Leben, das nun so fern schien wie das ‚Es war einmal‘ im Märchen.

Addie war gespannt, wie dieser lichte Liebreiz sich unter der heiß glühenden Sonne gehalten hatte. Es war sechs Jahre her, seit sie einander das letzte Mal gesehen hatten. Würde sie verändert aussehen? Runzlig, welk, braun verbrannt?

Es war unmöglich, sich Bea anders vorzustellen als so, wie sie gewesen war, im fransigen Charlestonkleid mit langer Zigarettenspitze in der Hand. Auch wenn sie sich noch so sehr bemühte, sie konnte Bea nicht auf einer Farm in Kenia sehen, konnte ihr Bild von ihr nicht mit Staub und Hitze, Khaki und Moskitonetzen in Einklang bringen. Das passte vielleicht zu anderen, aber nicht zu Bea. Beinahe ebenso schwer fiel es Addie, trotz der Briefe aus der Feder ihrer Cousine, zu glauben, dass Bea jetzt Mutter war, nicht von einem, sondern von zwei Kindern, kleinen Mädchen, wie sie geschrieben hatte. Marjorie und Anna.

Addie hatte Geschenke für die beiden in ihrem Schiffskoffer. Es waren französische Puppen mit Porzellangesichtern und Sägemehlarmen. Sie hatte sie in letzter Minute gekauft, die erstbesten mitgenommen, die sie fand, für den Fall, dass die Kinder echt waren und nicht Ausgeburten eines der ausgefallenen Späße ihrer Cousine. Mutterschaft und Bea passten nicht zusammen. Ähnlich wie Bea und Kenia.

Addie zupfte am Finger ihres Handschuhs. Sie sollte damit aufhören, sofort, bevor sie in Nairobi ankam. Es war unfair. Warum sollte Bea nicht eine wundervolle Mutter sein? Sie war doch der einsamen Cousine, Addie, eine wundervolle Gefährtin gewesen, die beste Ratgeberin und die beste Freundin. Manchmal gedankenlos, ja, aber stets liebevoll.

Menschen veränderten sich, sagte sich Addie. Oh ja. Sie veränderten sich, sie lernten und wuchsen, genau wie sie.

Vielleicht war Kenia genau das, was Bea gebraucht hatte, um das Beste in sich hervorzubringen, so wie Addie dazu die eigene Emanzipation gebraucht hatte. Vielleicht, sagte sich Addie hoffnungsvoll, war das alles zum Besten so. Sie konnten einander jetzt auf gleicher Stufe begegnen, jede glücklich mit ihrem Leben und sicher verankert in ihm, ohne Liebeswirrungen, ohne Groll und ohne Verpflichtung. Sie war nicht mehr das arme kleine bemitleidenswerte Mädchen aus Kindertagen.
Sie war sechsundzwanzig und stand auf eigenen Füßen. Seit fünf Jahren verdiente sie ihr eigenes Geld, sorgte für sich selbst und traf ihre eigenen Entscheidungen. Die Tage, als sie in Beas Haus gelebt hatte, immer in ihrem Schlepptau, waren vorbei, lange vorbei.

Wenn eins aus Beas Brief deutlich hervorging, so war es, dass Bea sie brauchte und nicht umgekehrt.
Addie zog den Brief aus ihrer Reisetasche. Er war verknittert und voller Flecken, unzählige Male gelesen. Du musst kommen, hatte sie geschrieben, ganz die alte Bea, als hätte nichts von dem, was sich vor ihrer Abreise ereignet hatte, eine Spur hinterlassen. Ich bin absolut aufgeschmissen ohne Dich.

Typisch Bea, dachte Addie. Nicht nur die ausladende Handschrift, sondern die Wörter selbst. Nichts war je schlicht das, was es war. Es war immer absolut, schrecklich, wahnsinnig. Liebe oder Hass. Bea machte keine halben Sachen. Wunderbar, wenn man geliebt, weniger vergnüglich, wenn man gehasst wurde. Addie hatte beides erfahren.

Wir würden uns alle unheimlich freuen, Dich zu sehen.

‚Wir‘. Nicht Marjorie und Anna, die kannten sie ja gar nicht. Addie war Abend um Abend aufgeblieben und hatte dieses eine Wort so gedreht und gewendet wie ein Professor, der über einem Lyriktext sitzt. Wir. War das nur ein weiteres Beispiel für Beas Hang zur Übertreibung? Eine harmlos liebenswürdige Geste? Oder etwas anderes?

Abrupt stopfte Addie den Brief wieder in ihre Reisetasche. Es war, was es war, sie würde schon sehen. Und dann würde sie zu David zurückkehren, der glaubte, sie zu lieben und es vielleicht sogar tat. In dieser Beziehung schien er sich sehr sicher zu sein.
War er sicher genug für sie beide?
Ja, sagte sie sich. Ja. David gehörte zu ihrem neuen Leben, dem Leben, das sie sich selbst aufgebaut hatte, Stein um Stein unter Schmerzen, nachdem, naja, nachdem alles so grauenvoll und dramatisch in die Brüche gegangen war. Der Rest war Geschichte, versunken im Nebel der Zeit. Sie und Bea konnten jetzt sicherlich darüber lachen, wenn sie auf der Veranda vor dem Farmhaus saßen. Gab es da überhaupt eine Veranda? Bestimmt, dachte Addie. Eine Veranda hörte sich nach angemessen rustikaler Ausstattung an.

Das war doch der Grund für ihre Reise, sagte sie sich. Frieden zu schließen. Sie und Bea waren so lange innige Vertraute gewesen, einander näher als Schwestern. Die letzten fünf Jahre des Schweigens waren wie eine klaffende Wunde gewesen.

An Frederick würde sie nicht denken.

Die Signalpfeife gab einen letzten schrillen Pfiff von sich, und der Zug hielt an. „Nairobi", rief jemand mit schallender Stimme. „Nairobi."

Sie konnte gar nicht glauben, dass sie wirklich da war, dass diese Zugfahrt nicht endlos weitergehen würde, ein beständiges Rumpeln unter Qualmwolken und gleißender Sonne, die durch die Rollladen hindurch ihre Augen kitzelte.

„Nairobi."

Addie fuhr hoch, nahm ihren kleinen Koffer und sah sich im Abteil nach herumliegenden Sachen um. Ihr Hut lag noch verlassen auf dem Bett. Sie zog ihn sich wieder über den Kopf und befestigte ihn mit einer langen Stahlnadel. Sie war da. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Sie zog ihre Kostümjacke zurecht, holte tief Atem, ging entschlossenen Schrittes zur Abteiltür und schob sie auf.

Blinzelnd schaute sie in die Helligkeit hinaus. Ihr alberner kleiner Hut bot überhaupt keinen Schutz vor der Sonne: Sie hatte einen verwischten Eindruck von Licht und Staub, hin und her eilenden Menschen, die Gepäck ausluden, in mindestens einem halben Dutzend Sprachen, Arabisch, Englisch, Deutsch, Französisch, lauthals Freunde begrüßten. Auf der Metalltreppe stehend, beschattete Addie ihre Augen gegen die Sonne und suchte umsonst nach einer bekannten Gestalt, jemandem, den sie geschickt haben könnten, um sie abzuholen. Automobile hupten Rikschas an, die von Männern in wenig mehr als Lendenschurzen gezogen wurden, Reifen quietschten, der klappernde Hufschlag der Pferde untermalte das aufgeregte Stimmengewirr rundherum. In der heißen Sonne schienen die Gerüche intensiver, nach Pferden, Motoröl und Curry von einem Verkaufsstand neben dem Bahnhof.
Über das Lärmen hinweg hörte sie jemanden ihren Namen rufen. „Addie! Addie! Hier."

Brav drehte sie sich um und suchte. Es war Beas Stimme, rauchig und angenehm, mit jenem leisen Anflug eines Lachens, der immer mitschwang, selbst wenn sie bis zum Äußersten reserviert war, so als hätte sie köstliche Geheimnisse, die sie liebend gern geteilt hätte. Ein Mund wie geschaffen zum Erdbeerenessen, hatte einer ihrer Verehrer geschwärmt, leicht aufgeworfene Lippen, die immer ein Lächeln zu verheißen schienen.

„Bea?" Staub und Sonne ließen Regenbogen vor ihren Augen tanzen. Dunkelhäutige Männer in weißen Gewändern, Europäer in Khaki, Frauen in hellen Kleidern, alle verschoben sich auf dem überfüllten Bahnsteig in ständig wechselnden Mustern wie in einem Kaleidoskop.

Aus dem Gewimmel stieß eine behandschuhte Hand wild winkend empor. „Hier."

Die Menge teilte sich, und Addie sah sie. Die Zeit war aufgehoben. Lärm und Stimmengewirr verklangen zur gedämpften Hintergrundkulisse.

Wie hatte sie jemals glauben können, sie hätte Bea übertrumpft?

Zwei Kinder hatten sie nicht verändert. Sie war immer noch groß und schlank, ihr blondes Haar leuchtete golden unter dem Hut, den sie mit einer Hand festhielt. Es war ein schräg sitzendes Modell, neben dem Addies Topfhut unpraktisch und provinziell wirkte. Beas Kleid war hellbraun, aber nichts daran war langweilig oder spießig. Das Oberteil saß lose über einem schmalen Rock mit einem locker um die Hüften liegenden Gürtel in Weiß und Braun, der zu den Details an Ärmeln und Saum passte. Im Vergleich erschien Addies Kostüm sowohl übertrieben als auch billig.

Addie verspürte eine vertraute Aufwallung von Liebe und Verzweiflung, von Freude über die Freude im Gesicht ihrer Cousine, das so unverändert schön war. Es war unfair. Sie wusste, dass es von ihr unfair war, Bea etwas übel zu nehmen, das ganz einfach und natürlich ein Teil von ihr war, aber sie tat es trotzdem. Nur einmal... nur ein einziges Mal...

„Liebste!" Bea hatte große Auftritte nie gescheut. Mit ausgebreiteten Armen flog sie Addie entgegen, als diese, steif und ungelenk von einem Tag und einer Nacht in einem Stahlkasten, mühsam die Eisentreppe hinuntertappte. „Willkommen."

Addie wehrte sie mit ausgestrecktem Arm ab. „Rühr mich lieber nicht an. Ich bin völlig verdreckt."
„Unsinn", sagte Bea und zog sie trotzdem an sich, nicht nur zu einem flüchtigen Anstandsdrücken, sondern zu einer handfesten Umarmung. Einen Moment lang pressten ihre Arme so stark, dass Addie die Knochen durch ihr Kleid spüren konnte. Bea war dünner, dünner als sie in London gewesen war. Ihre Arme umfassten Addie mit einer drahtigen, ungestümen Kraft. „Du hast mir gefehlt."

Bevor Addie antworten, bevor sie sagen konnte, sie habe ihr auch gefehlt, hatte Bea sie schon wieder losgelassen und trat zurück, beherrscht und selbstsicher, jeder Zoll die Debütantin, die sie gewesen war.

Während sie Addie von Kopf bis Fuß musterte, verzog sie das Gesicht zu einer komischen Karikatur von Mitgefühl. „Diese fürchterliche Eisenbahn. Was du jetzt brauchst", erklärte sie mit Bestimmtheit, „ist ein Drink."

Addie sah bekümmert an sich und ihrem so sorgfältig gewählten Reisekostüm hinunter, das jetzt schmutzig und voller Schweißflecken war. Soviel zu ihrem großen Auftritt. Soviel zu ihrem Vorhaben, mit Bea zu konkurrieren. Sie hatte verloren, noch bevor der Wettstreit begonnen hatte. „Was ich brauche, ist ein Bad und meine Sachen."

„Sollst du beides bekommen. Und einen Drink dazu." Bea hakte sich bei Addie unter wie früher und zog sie mühelos durch das Gewühl. „Reisen ist immer eine Strapaze. Diese grässlichen kleinen Abteile und diese grauenhaften Leute, die an den Gleisen stehen und einem mit ihren kreischenden Stimmen ihren Tee andrehen wollen." Bea hatte immer schon ein Talent besessen, andere nachzumachen. Sie tat es ganz automatisch, sekundenschnell verwandelte sie sich und verwandelte sich gleich darauf, schwupps, wieder zurück.

„So strapaziös war es gar nicht", sagte Addie, angestrengt bemüht Schritt zu halten. Ihr kleiner Koffer war schwerer, als sie in Erinnerung hatte, und ihre kurzen Schritte waren Beas ausholenden nicht gewachsen. Sie versuchte, sich an Fetzen aus Davids Vorträgen zu erinnern. „Es ist wahrscheinlich jetzt, wo die Eisenbahnschienen gelegt worden sind, viel bequemer."

„Ja", bestätigte Bea zerstreut. Lächelnd winkte sie einem Mann im hellen Anzug zu. „Das", bemerkte sie murmelnd aus dem Mundwinkel, „ist General Grogan. Er ist der Eigentümer von Torr's Hotel. Da steigen wir nie ab."

„Oh?" Der kleine Koffer knallte Addie immer wieder ans Knie. „Ist es...?"

„Gewöhnlich", sagte Bea wegwerfend. „Du wohnst natürlich sowieso bei uns, aber wenn wir in der Stadt sind, gehen wir in den Muthaiga Club. Oder ins Norfolk. Nie ins Torr's." Sie schenkte dem unglückseligen Eigentümer ein so strahlendes Lächeln, dass er über die eigenen Füße stolperte.
„Ah ja", sagte Addie, obwohl die Namen ihr nichts sagten. „Natürlich."

Sie reckte den Hals, um sich umzuschauen, aber der Mann war schon verschwunden, und Bea dabei, ihr weiteres Wissenswerte zu vermitteln: über Pferderennen und Cocktailempfänge, über dieses Paar und jenes, und wessen Farm am Ende war und wessen Bekanntschaft lohnenswert war.

„Du erinnerst dich sicher an Euan Wallaces erste Frau? Du hast die beiden doch bestimmt mal kennengelernt?" Zum Glück wartete Bea nicht auf eine Antwort, sondern redete gleich weiter, während sie sich durch das Menschengewühl drängten. „Sie hat sich vor Jahren von ihm scheiden lassen - oder er sich von ihr. Es ist schwierig, da auf dem Laufenden zu bleiben. Joss ist ihr Neuer, allerdings nicht mehr ganz so neu. Es sind inzwischen sieben Jahre? Oder acht?"

„Mhm", machte Addie und versuchte verzweifelt, nicht zu laut zu keuchen. Schweiß rann ihr in die Augen und machte sie halb blind, aber sie hatte kein Taschentuch in Reichweite, um ihn abzuwischen. Tapfer stolperte sie weiter. Sie war fest entschlossen, das beklemmende Gefühl zu ignorieren, das ihr sagte, dass sie einen schrecklichen Fehler begangen hatte.

Statt der Welterfahrenen war sie die Naive, die von Bea in die Geheimnisse ihrer Welt eingeführt wurde, Geheimnisse, die Addie, da sie sie niemals ganz erfassen könnte, wieder von Beas Führung und Unterweisung abhängig machen würden.

Kurz, es ging geradewegs zurück in dasselbe alte Muster.

„Wie weit ist es noch?" fragte sie mitten hinein in Beas Referat.

„Nicht mehr weit." Bea sah sie überrascht an. „Ach, Darling, du siehst völlig erledigt aus. Es ist die Hitze, nicht? Ja, am Anfang ist man nicht auf sie vorbereitet."

Bea war offensichtlich bestens vorbereitet; sie wirkte kühl und frisch. Aber sie trug ja auch keinen Koffer, der in den letzten zehn Minuten immer schwerer geworden war. Und sie hatte auch nicht die vergangenen vierundzwanzig Stunden in einem stickigen Eisenbahnabteil verbracht.

„Keine Sorge, Liebes", sagte sie, „wir sind gleich beim Wagen. Oh, schau. Da ist Alice de Janzé." Lässig winkte Bea einer Frau zu, die mit der elegantesten Pariserin hätte konkurrieren können. „Amerikanerin, mit einem Franzosen verheiratet. Ich frage mich, was sie in Nairobi zu tun hat. Gewöhnlich ist sie drüben in Slains."

Das gesellschaftliche Gerede ging Addie auf die Nerven. Als wären sie zurück in London, in dem Jahr, als sie in die Gesellschaft eingeführt wurden, Bea ständig von Leuten umgeben war und Tag für Tag mühelos neue Freundschaften knüpfte. Was war aus dem ‚ruhigen Leben auf unserer kleinen Farm' geworden?

Addie fragte atemlos: „Wo sid denn deine kleinen Töchter?"

Bea ging schneller. Addie musste praktisch laufen, um mitzuhalten. „Auf der Farm. Da sind sie glücklich. Wie Dodo mit ihren Ställen. Na ja, jeder nach seiner Fasson."

Addie spürte die Gereiztheit eines schwelenden Streits, der mit ihr nichts zu tun hatte. Unsicher, wie sie darauf reagieren sollte, sagte sie nur: „Dodo schickt dir liebe Grüße."

Dodo war Beas ältere Schwester, die einzige des Clans, die offiziell noch mit ihr redete. Allerdings machte es bei Dodo kaum einen Unterschied, ob sie redete oder nicht, weil ihr einziges Thema ihre Pferde waren. Sie kam einmal im Monat nach London, wohnte stets im Ritz, wo ihr ramponierter Reiterlook sich kurios von den Schneiderkostümen und Pariser Modellkleidern der anderen Frauen abhob. Das war vielleicht das Sympathischste an Dodo, sie verstellte sich nie.

„Bares wäre mir lieber gewesen", sagte Bea flapsig. „Du hast keine Ahnung, was der Betrieb einer Kaffeefarm an Geld verschlingt. Nicht den blassesten Schimmer. Die ersten vier Jahre keine Erträge und dann hängt alles vom Markt ab. Es ist zum Verrücktwerden."

„Ist Frederick auf der Farm?" Kein Grund, sich zu sorgen, dass ihr Ton etwas verraten könnte, denn sie konnte ohnehin nur in keuchenden Stößen sprechen.

Bea bemerkte es und bremste barmherzig ihr Tempo. „Nein, er ist beim Wagen. Er wollte eigentlich mit an den Bahnsteig, aber Dee ist ihm dazwischengekommen."

„Dee?" Addies Fantasie zeigte ihr einen Vamp mit langen, blutroten Fingernägeln.

„Lord Delamere. Ein grässlicher alter Langweiler."

Addie lachte kurzatmig. „Keiner von den Gesegneten?"

So hatten sie in Kindertagen, Leute bezeichnet, die sie mochten, ein Ausdruck aus ihrer Geheimsprache. Er lag ihr rostig und spröde auf der Zunge.

Impulsiv drehte sich Bea um und umarmte sie so stürmisch, dass sie beinahe den Boden unter den Füßen verloren hätte. Staub und Schweiß gingen in einer Wolke teuren französischen Parfums unter. „Ach, hast du mir gefehlt! Hast du Hunger?"

Addie kam schwankend wieder ins Gleichgewicht und stellte mit einem Aufprall ihren Koffer ab. Ja, sie war hungrig, hungrig und ein wenig benommen von der Hitze und der Sonne.

„Sie haben uns in Makindu etwas serviert." Es hatte ein englisches Frühstück mit Eiern und Porridge geben, das sich einigermaßen bizarr ausgenommen hatte vor dieser Kulisse fremdartiger gestreifter Tiere, die in der Ferne grasten. Mit gekrauster Nase versuchte Addie, sich zu erinnern, wie lange das her war. Es kam ihr schon jetzt vor, als wäre es in einem anderen Leben gewesen. „Aber das war vor, ach, es müssen Stunden sein. In aller Frühe."

„Keine Sorge, du bekommst etwas zu essen, sobald wir dich aus diesem grässlichen Kleid heraus haben."

Addie fühlte sich augenblicklich angegriffen. „Was ist so grässlich daran? Wenn es gewaschen und gebügelt ist?"

Bea musterte sie mit dem Blick der Expertin. „Nein, meine Liebe, wirklich nicht."

Addie sah sich plötzlich mit Beas Augen: zerknautscht und zerknittert, in einem Fähnchen von der Stange, das höher hinaus gewollt, es aber nicht geschafft hatte. Bea hatte sich immer durch eine mondäne Eleganz ausgezeichnet, die sie ohne jede Anstrengung erzielte. Und so war es immer noch. Sie schaffte es, in einer simplen Herrenhose auszusehen wie in einem Abendkleid von Worth. Addie zweifelte keinen Moment, dass sich dieses erbärmliche kleine Reisekostüm an ihr ausnehmen würde, als käme es aus der Werkstatt von Lanvin.

„Denk dir nichts", sagte sie wie zu einem Kind, und Addie fühlte sich schlagartig wieder wie die schüchterne, völlig unvorbereitete Sechsjährige, damals in Ashford, für die jedes Wort von Bea die Offenbarung war. „Wir finden etwas viel Besseres für dich." Ihre hellen blauen Augen blitzten, als sie Addie nachdenklich ansah. „Und vielleicht einen Mann dazu?"

„Danke, hab ich schon", versetzte Addie scharf. Sie nahm ihren Koffer wieder hoch und schloss die Finger fester um den Griff. „David Cecil. Er ist Dozent am University College. Wirtschaftswissenschaften."

„Du meine Güte", sagte Bea. „Da muss er ja wahnsinnig gescheit sein."

„Das ist er", sagte Addie loyal, als hätte er sich nicht schon während der langen Reise in eine Art Hirngespinst von ihr aufgelöst, dieser Mann, den sie doch angeblich liebte und den sie vielleicht wirklich lieben würde, wenn sie sich nur selbst einreden könnte, dass die Vergangenheit wirklich vergangen war.

War das nicht genau das, was David ihr immer sagte? Die Welt ihrer Jugend mit Dienerschaft und großen Gesellschaften, Lord Dies und Lady Das - diese Welt war unwiderruflich dahin. Sie hatte in ihr gelebt, aber ihr nie wirklich angehört. David war der Mann, mit dem sie leben, Bett und Tisch teilen, alt werden und Rosen züchten würde - oder irgendwelche anderen Pflanzen, zwischen denen sie beschaulich umherwandern würden, umgeben von Kindern und Enkeln, die alle so klug waren wie er.
„Wir verloben uns, wenn ich zurückkomme", sagte sie, und es klang angriffslustiger, als sie beabsichtigt hatte.

„Ihr habt euch also gelobt, euch zu verloben?" Es klang tatsächlich ziemlich lächerlich, wenn man es so ausdrückte. Bea verzog den Mund zu einem kleinen schiefen Lächeln. „Komisch eigentlich. Ich hatte gedacht, ach, lassen wir das. Schau, hier sind wir schon."

Das ‚Hier‘ war ein Ungetüm von einem Automobil, ein wuchtiges viereckiges Ding, das Addie an diese Leutewagen seinerzeit in Ashford erinnerte, in denen sowohl die Jäger als auch das erlegte Wild befördert wurden. Zwei Männer standen ins Gespräch vertieft am Wagen. Sie fing die Wörter ‚Höhenlage‘ und ‚Dünger‘ auf. Der Mann rechts, relativ klein und über das mittlere Alter hinaus, sah aus wie eine liebenswerte Schildkröte unter einem breitkrempigen Hut.

Der andere Mann, ohne Hut, stand mit dem Rücken zu ihnen, doch Addie erkannte ihn sofort. Er war immer dünn gewesen, zu dünn, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Doch die lässige koloniale Kleidung, das Hemd mit den kurzen Ärmeln über der gesund gebräunten Haut, passte zu ihm, weil er eher langgliedrig als hager wirkte. Die Sonne hatte helle Strähnen in sein dunkles Haar gebleicht.
„Schau, wen ich gefunden habe", rief Bea, und mit einem Lächeln des Willkommens drehte er sich um.

„Addie", sagte er. „Tatsächlich. Du bist es wirklich."

Er lachte sie an, und Addie blieb einen Moment das Herz stehen. Fünf Jahre in fünf Minuten ausgelöscht.

Addie war plötzlich trotz der Hitze kalt. Sie sah Bea an, die im hellen Licht strahlte, und dann Frederick. Er trug keinen Schnurrbart mehr, das glattrasierte Gesicht, früher eher blass, war von der Sonne braun gebrannt. Anders als früher hatte er um die Augen nun Fältchen. Sie waren weiß im dunklen Gesicht, aber sie sahen gut aus bei ihm. Die Spuren des ausschweifenden Lebens waren verschwunden, getilgt von Sonne und Arbeit.

Aus weiter Ferne hörte sie Davids Stimme. Warum?

Dies war der Grund. Dies war immer der Grund gewesen. Addie kämpfte gegen eine überwältigende Welle der Hoffnungslosigkeit und des Verlangens, verschmolzen mit Sonne und Schweiß, Staub und Verwirrung. Am liebsten hätte sie sich auf dem Boden zusammengerollt und ihre Enttäuschung herausgeschrien. Am liebsten hätte sie sich umgedreht und wäre auf und davon gelaufen.

David hatte recht; sie hätte es gut sein lassen sollen. Sie hätte zu Hause im kühlen England bleiben sollen, sicher in ihrer Wohnung und bei ihrem Beinahe-Verlobten, anstatt Gefühle aufzurühren, die besser begraben blieben.

Frederick bot ihr die Hand, und da blitzte er in der Sonne, der goldene Ring, das Zeichen, dass er Bea gehörte.

„Wir haben nicht geglaubt, dass du kommen würdest", sagte er.

Ich kann immer noch umkehren, wollte sie sagen. Vergesst, dass ich hier war. Aber das war die feige Art. Der einzige Weg nach draußen, hatte Nanny immer gesagt, ist mitten hindurch.

Vorsichtig stellte Addie ihren Koffer ab und lockerte ihre angestrengte Hand. Als sie sich wieder aufrichtete, hatte sie ihr liebenswürdiges, für die Öffentlichkeit und gesellschaftliche Anlässe bestimmtes Lächeln aufgesetzt.

„Aber hier bin ich", sagte sie und gab Frederick die Hand. Sein Ring drückte in ihre Haut, eine Mahnung und eine Warnung. „Wie hätte ich nicht kommen können?"