Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte
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Produktbeschreibung

Lese-Probe

Der Junge, der Träume schenkte von Luca Di Fulvio


Prolog

1
Aspromonte, 1906-1907
Anfangs hatten beide beobachtet, wie sie heranwuchs. Die Mutter und der Gutsherr. Die eine mit Sorge, der andere mit seiner trägen Wollust. Doch bevor sie zur Frau wurde, trug die Mutter dafür Sorge, dass der Gutsherr sie nicht mehr beachtete. Als das Mädchen zwölf Jahre alt war, gewann die Mutter, wie sie es von den alten Frauen gelernt hatte, aus Mohnsamen einen Sirup. Diesen Sirup flößte sie dem Mädchen ein, und als es benommen vor ihr zu taumeln begann, nahm sie es auf ihren Rücken, überquerte die staubbedeckte Straße, die inmitten der Ländereien des Gutsherrn an ihrer Hütte vorbeiführte, und trug es bis zu einem Kiesbett, wo eine verdorrte alte Eiche stand. Sie brach einen dicken Ast ab, zerriss die Kleider des Mädchens und rammte ihm einen spitzen Stein in die Stirn. Diese Wunde, da war sie sicher, würde stark bluten. Dann legte sie ihre Tochter in verrenkter Haltung, als wäre sie beim Sturz vom Baum die Böschung hinabgerollt, auf dem Kies ab und ließ sie, bedeckt mit dem Ast, den sie abgebrochen hatte, dort liegen. Die Männer würden bald von der Feldarbeit heimkehren, deshalb hastete sie zurück zur Hütte. Dort bereitete sie aus Zwiebeln und Schweinespeck eine Suppe zu und trug danach erst einem ihrer Söhne auf, nach Cetta, ihrem Mädchen, zu suchen. Sie behauptete, sie habe sie zum Spielen in Richtung der toten Eiche laufen sehen, schimpfte über ihre Tochter und beklagte sich bei ihrem Mann: Das Mädchen sei ein Fluch, sie schaffe es nicht, es zu bändigen, es sei ein Irrwisch, trage jedoch den Kopf in den Wolken, man könne ihm nichts auftragen, da es auf halbem Weg schon wieder alles vergessen habe, zudem sei es ihr nicht die geringste Hilfe im Haushalt. Ihr Mann wies sie zurecht und verbot ihr den Mund, bevor er schließlich zum Rauchen nach draußen ging. Während der Sohn sich über die Straße zur toten Eiche und zum Kiesbett aufmachte, kehrte sie zurück in die Küche, um die Zwiebel-Speck-Suppe im Kessel umzurühren, und wartete. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Wie jeden Abend hörte sie den Gutsherrn im Auto an ihrer Hütte vorbeifahren und zweimal hupen, weil, wie er sagte, die Mädchen das so gerne mochten. Und wirklich, obwohl die Mutter ihr bereits vor einem Jahr verboten hatte, den Gutsherrn vor dem Haus zu begrüßen, lief Cetta noch immer, vom Hupen angelockt, jeden Abend zum Fenster unter dem Verandadach und blickte verstohlen hinaus. Und sie, die Mutter, hörte den Gutsherrn lachen, bis seine Stimme sich in der Staubwolke hinter dem Wagen verlor. Cetta nämlich - das sagte jeder, der Gutsherr jedoch einwenig zu oft -war einwirklich hübsches Mädchen und würde gewiss einmal eine bildschöne junge Frau werden. Als der Sohn, der sich auf die Suche nach Cetta gemacht hatte, mit lautem Geschrei zurückkam, rührte die Mutter weiter in der Zwiebel-Speck-Suppe. Ihr Atem jedoch stockte. Sie hörte, wie der Sohn mit dem Vater redete. Die schweren Schritte des Vaters polterten über die drei Holzstufen nach draußen, die bereits so schwarz waren wie Steinkohle. Und erst einige Minuten später hörte die Mutter ihren Mann lauthals ihren und Cettas Namen rufen. Da ließ sie die Suppe auf dem Herd stehen und lief endlich hinaus.
Ihr Mann trug die kleine Cetta in seinen Armen. Mit blutverschmiertem Gesicht und zerrissenen Kleidern hing sie wie ein Lumpen in den schwieligen Händen des alten Vaters. »Hör mir zu, Cetta«, sagte die Mutter tags darauf, als alle zur Feldarbeit aufgebrochen waren, zu ihrer Tochter. »Du wirst nun bald erwachsen und verstehst mich genau, wenn ich mit dir rede, ebenso wie du, wenn du mir in die Augen siehst, genau weißt, dass ich fähig bin zu tun, was ich dir jetzt sage. Wenn du meine Anweisungen nicht aufs Wort befolgst, bringe ich dich eigenhändig um.« Daraufhin nahm sie ein Seil zur Hand und band es Cetta um die linke Schulter. »Steh auf«, befahl sie ihr, zog das Seil straff bis hinab zur Leiste, wodurch sie die Kleine in eine gekrümmte Haltung zwang, und schnürte das andere Ende fest um ihren linken Oberschenkel. »Das bleibt ein Geheimnis zwischen dir und mir«, bläute sie ihr ein. Aus einer Schublade zog sie ein weites Kleid mit verwaschenem Blumenmuster, das sie aus alten Stoffresten genäht hatte, und streifte es ihr über. »Du wirst behaupten, du wärst seit dem Sturz verkrüppelt. Vor allen, auch vor deinen Brüdern«, erklärte sie dem Mädchen. »Damit du dich daran gewöhnst, wirst du dieses Seil einen Monat tragen. Danach werde ich es dir abnehmen, aber du wirst weiter so gehen, als wäre es noch da. Tust du das nicht, lege ich es dir zunächst wieder an, und solltest du danach versuchen, dich aufzurichten, bringe ich dich eigenhändig um. Und wenn der Gutsherr abends in seinem schönen Auto hier vorbeifährt und hupt, läufst du hinaus und winkst ihm zu. Oder besser noch, du erwartest ihn bereits draußen auf der Straße, damit er dich gut sehen kann. Hast du mich verstanden?« Das Mädchen nickte. Da nahm die Mutter das Gesicht der Tochter in ihre knorrigen, runzeligen Hände und sah sie mit Liebe und verzweifelter Entschlossenheit im Blick an. »In deinem Bauch wird kein Bastard heranwachsen«, sagte sie. Noch bevor es Herbst wurde, hupte der Gutsherr nicht mehr, wenn er an der Hütte vorbeifuhr, da er sich mit dem Gedanken abgefunden hatte, Cetta sei hoffnungslos verkrüppelt. Und der Winter hatte kaum begonnen, da nahm er gar einen anderen Weg. Im Frühsommer sagte die Mutter zur Tochter, sie könne nun wieder genesen. Ganz langsam, um keinen Verdacht zu erregen. Cetta war dreizehn Jahre alt und hatte sich entwickelt. Doch das Jahr als Krüppel hatte sie ein wenig zum Krüppel gemacht. Und nie wieder, auch nicht, als sie erwachsen war, sollte es ihr gelingen, vollkommen gerade zu gehen. Sie lernte, ihren Makel zu überspielen, aber sie richtete sich nie mehr ganz auf. Die linke Brust war ein wenig kleiner als die rechte, die linke Schulter ein wenig gekrümmter als die rechte, der linke Oberschenkel ein wenig gedrungener als der rechte. Zudem war das gesamte Bein, das ein Jahr lang die Schulter nach unten gezogen hatte, steif geworden, oder die Sehnen hatten sich verhärtet, wodurch das Mädchen ein wenig zu hinken schien.

2
Aspromonte, 1907-1908
Nachdem die Mutter ihr erlaubt hatte, von der vorgetäuschten Krankheit zu genesen, hatte Cetta versucht, wieder gerade zu gehen. Doch manchmal schlief ihr linkes Bein ein oder verweigerte ihr den Gehorsam. Und um es aufzuwecken oder wieder zur Ordnung zu rufen, blieb Cetta nichts anderes übrig, als aufs Neue die Schulter herabzuziehen, die vom Seil der Mutter gekrümmt war. In dieser Krüppelhaltung schien sich das Bein an seine Pflicht zu erinnern und ließ sich nicht länger nachziehen. Eines Tages war Cetta zur Getreideernte draußen auf dem Feld. Und ganz in ihrer Nähe - der eine mehr, der andere weniger - waren ihre Mutter und ihr Vater und ihre Brüder mit den tiefschwarzen Haaren. Und auch der andere, fast blonde Halbbruder, der Sohn ihrer Mutter und des Gutsherrn. Der Halbbruder, dem weder Mutter noch Vater je einen Namen gegeben hatten und den alle in der Familie nur den Anderen nannten. »In deinem Bauch wird kein Bastard heranwachsen«, hatte ihr die Mutter in dem Jahr wieder und wieder eingeschärft. Sie hatte sie zu einem halben Krüppel gemacht, damit der Gutsherr seinen Blick von ihr abwandte. Und immerhin scharwenzelte der Gutsherr nun um andere Mädchen herum. Cetta war verschwitzt. Und müde. Sie trug ein langes Leinenkleid mit schmalen Trägern. Ihr linkes Bein blieb im kargen, sonnenverbrannten Boden stecken. Als sie bemerkte, dass der Gutsherr einigen Freunden seine Felder zeigte, achtete sie nicht weiter auf ihn, sie fühlte sich nun sicher. Der Gutsherr gestikulierte beim Gehen. Vielleicht erzählt er gerade, wie viele Erntehelfer für ihn arbeiten, dachte Cetta. Die Hand in die Hüfte gestemmt, hielt sie inne, um die Gruppe zu betrachten. Unter ihnen war die dritte Ehefrau des Gutsherrn; sie trug einen Strohhut auf dem Kopf und ein Kleid in einem Blauton, wie Cetta ihn nicht einmal am Himmel je gesehen hatte. Zwei andere Frauen begleiteten sie, vermutlich die Gattinnen der beiden Männer, die mit dem Gutsherrn plauderten. Die eine war jung und hübsch, die andere korpulent und ihr Alter schwer einzuschätzen. Die Männer an der Seite des Gutsherrn sahen ebenso unterschiedlich aus wie ihre Ehefrauen. Der eine war jung und dürr, hoch aufgeschossen und kraftlos wie ein Getreidehalm, der sich unter der Last der reifen Ähre biegt. Der andere war ein Mann mittleren Alters mit breitem Schnurrbart, altmodisch buschigen Koteletten und strohblonden Haaren. Er hatte ausladende Schultern und eine stattlich-breite Brust wie ein ehemaliger Boxer. Beim Gehen stützte er sich auf einen Stock. Und unterhalb seines rechten Knies war ein weiteres Stück Holz zu sehen. Ein künstliches Bein. »An die Arbeit, Hinkebein!«, rief der Gutsherr, als er Cettas Blicke bemerkte, zu ihr herüber, bevor er sich zu den beiden Männern umdrehte und in ihr Gelächter einfiel. Cetta, deren Bein taub geworden war, krümmte sich und hinkte weiter durch ihre Ackerreihe. Nach wenigen Schritten wandte sie sich noch einmal nach dem Gutsherrn um und bemerkte, dass der Mann mit dem Holzbein etwas abseits stand und zu ihr herüberstarrte. Ein wenig später kam Cetta dem Grüppchen so nah, dass sie verstehen konnte, worüber gesprochen wurde. Und auch sie hörte das rhythmische Klopfen, das alle neugierig machte - doch im Gegensatz zu den anderen wusste sie, woher es kam. Aus dem Augenwinkel konnte sie beobachten, wie die Männer das geschnittene Getreide beiseite schoben und schließlich lachend erkannten, wer das ungewöhnliche Geräusch verursachte. Die Frauen, die sich dem Schauplatz genähert hatten, taten verlegen und schlugen sich die von weißen Spitzenhandschuhen verhüllten Hände vor den Mund, um ein Kichern zu unterdrücken, bevor alle wieder davon spazierten, da es bald Zeit für das Mittagessen war.
Allein der Mann mit dem Holzbein stand noch da und sah zu. Er beobachtete die beiden Schildkröten, die ihre faltigen Hälse in die Höhe reckten und sich paarten, wobei ihre Panzer mit einem rhythmischen Tock-Tock-Tock gegeneinander schlugen. Der Mann mit dem Holzbein starrte auf die beiden Tiere, dann auf Cetta und ihr Hinkebein und schaute schließlich auf sein eigenes künstliches Bein hinab. Cetta sah eine Hasenpfote an seiner Weste herabbaumeln. Im nächsten Moment stürzte sich der Mann auf Cetta, stieß sie zu Boden, schob ihren Rock hoch und zerriss ihren abgetragenen Baumwollschlüpfer, und mit der Vorstellung, sein Holzbein schlüge gegen das zurückgebildete Bein des Bauernmädchens, nahm er sie mit aller Hast und zeigte ihr, was ein Mann und eine Fraumachen, wenn sie es den Tieren gleichtun wollen. Und während er auf Cetta lag, rief die Dicke über die Felder nach ihrem Mann, da sie nur noch darauf bedacht war, schnell an den Essenstisch zu kommen, und Cettas Mutter und ihr Vater und ihre dunkelhaarigen Brüder und auch der Andere mit dem helleren Haar setzten ganz in der Nähe der sich paarenden Schildkröten ihre Arbeit fort.
Nachdem die Mutter ihr erlaubt hatte, wieder zu genesen, langsam, um keinen Verdacht zu erwecken, hatte Cetta sich den Folgen ihres Jahres als Krüppel stellen müssen. Und als sie, nach der Paarung der Schildkröten, mit nicht ganz vierzehn Jahren schwanger wurde, wölbte sich selbst ihr Bauch links stärker als rechts, so als hinge er von der unnötig verkrüppelten Seite herab. Der Junge kam mit außergewöhnlich blondem Haar zur Welt. Man hätte denken können, er stamme von den Normannen ab, wären da nicht seine Augen gewesen, so pechschwarz, tiefgründig und sehnsuchtsvoll, wie ein Blondschopf sie sich niemals auch nur hätte erhoffen können. »Er wird einen Namen bekommen«, erklärte Cetta ihrem Vater, ihrer Mutter, ihren dunkelhaarigen Brüdern und dem, den alle den Anderen nannten. Und da er ihr mit seinem hellblonden Haar wie das Jesuskind in der Krippe erschien, nannte Cetta ihren Sohn Natale.

3
Aspromonte, 1908
»Sobald er etwas größer ist, will ich nach Amerika«, eröffnete Cetta ihrer Mutter, während sie ihrem Sohn Natale die Brust gab. »Und was hast du da vor?«, brummte die Mutter, ohne von ihrem Nähzeug aufzublicken. Cetta antwortete nicht. »Du gehörst dem Gutsherrn und auf die Felder«, sagte da die Mutter. »Ich bin doch keine Sklavin«, widersprach Cetta. Die Mutter legte das Nähzeug beiseite und stand auf. Ihr Blick lag auf der Tochter, die dem neuen Bastard in der Familie die Brust gab. Sie schüttelte den Kopf. »Du gehörst dem Gutsherrn und auf die Felder«, sagte sie noch einmal, bevor sie hinausging. Cetta blickte auf ihren Sohn hinab. Ihr dunkler Busen mit der noch dunkleren Brustwarze stand in beinahe misstönendem Kontrast zu Natales blondem Haar. Vorsichtig nahm sie ihn von der Brust. Ein wenig Milch tropfte zu Boden. Cetta legte den Jungen in die alteWiege, in der schon sie und ihre Brüder und auch der Andere gelegen hatten. Der Kleine begann zu weinen. Streng sah Cetta ihn an. »Wir werden beide noch viel weinen müssen«, sagte sie zu ihm. Dann folgte sie ihrer Mutter nach draußen.

Hafen von Neapel, Dezember 1908
Der Hafen war bevölkert von Hungerleidern und ein paar reichen Herrschaften, wenigen jedoch, und sie gingen nur vorbei. Wer reich war, nahm ein anderes Schiff, nicht dieses. Cetta beobachtete sie alle durch ein von Rost umrahmtes, schmutziges Bullauge. Die meisten Hungerleider würden an Land bleiben, sie würden nicht fortgehen. Sie würden auf eine andere Gelegenheit warten, einen neuen Versuch unternehmen, an Bord zu gelangen, ihre spärlichen Habseligkeiten verpfänden in der Hoffnung, sich eine Fahrkarte nach Amerika leisten zu können. Und während sie auf das nächste Schiff warteten, würden sie ihr kleines Vermögen durchbringen. Und niemals fortgehen. Anders Cetta. Sie ging fort.
Und nur daran dachte sie, als sie durch das schmutzige Bullauge hinausschaute, während hinter ihr der kleine Natale, der nun gut acht Monate alt war, sich unruhig auf der mit Tierhaaren übersäten Wolldecke hin und her wälzte. Er lag in dem Weidenkorb, in dem zuvor das Hündchen einer eleganten Dame bequem herumgetragen worden war, bevor Cetta ihr den Korb gestohlen hatte. Nur an die lange Seereise dachte Cetta, während die klebrige Flüssigkeit ihr wie damals nach ihrer Vergewaltigung kalt an den Beinen herab lief. Nur an Amerika dachte sie, während der Kapitän befriedigt seine Hose zuknöpfte und versprach, er werde am frühen Nachmittag mit einem Stück Brot und einem Schluck Wasser zu ihr zurückkommen, und lachend erklärte, sie beide würden viel Spaß miteinander haben. Und erst als Cetta hörte, wie die eiserne Luke von außen geschlossen wurde, trat sie vom Bullauge zurück und wischte sich mit dem Stroh, das auf dem Boden des Frachtraumes ausgestreut war, die Beine ab, bis sie ganz zerkratzt waren. Sie nahm Natale auf den Arm, entblößte die von den Händen des Kapitäns noch gerötete Brust und gab sie dem Jungen. Als das Kind danach in seinem stinkenden Hundekorb langsam in den Schlaf fiel, verkroch Cetta sich in eine dunklere Ecke, und während ihr die Tränen über die Wangen liefen, dachte sie: Sie sind salzig wie das Meer, das zwischen mir und Amerika liegt. Sie sind ein Vorgeschmack auf den Ozean, und sie leckte sie auf und versuchte, dabei zu lächeln. Als schließlich das Schiffshorn dumpf in die Hafenluft schnaubte und die Abfahrt ankündigte, erzählte Cetta sich beim Einschlafen das Märchen von einem fünfzehnjährigen Mädchen, das von zu Hause weggelaufen war, um sich mutterseelenallein mit einem unehelichen Sohn auf den Weg ins Feenreich zu machen.

Ellis Island, Januar 1909
Cetta wartete in einer Schlange gemeinsam mit den anderen Einwanderern. Er schöpft von der Reise und den sexuellen Schikanen Des Kapitäns beobachtete sie, wie der Arzt der Bundeseinwanderungsbehörde den bedauernswerten Geschöpfen weiter vorn prüfend in Ohren und Mund schaute, nicht anders als ihr Vater es bei den Eseln und Schafen getan hatte. Einigen schrieb der Arzt mit Kreide einen Buchstaben hinten auf die Kleider. Wer einen solchen Buchstaben auf dem Rücken trug, wurde ausgesondert und zu einer Halle geführt, wo weitere Ärzte warteten. Die anderen Einwanderer gingen weiter zu den Tischen des Zollamtes. Cetta beobachtete die Polizisten, die ihrerseits die Beamten, die die Papiere stempelten, nicht aus den Augen ließen. Sie sah die Verzweiflung derer, die nach der anstrengenden und oft entwürdigenden Überfahrt Abgewiesen wurden. Doch es war, als gehörte sie nicht zu ihnen. Alle anderen hatten an Deck verfolgt, wie das neue Land immer näher rückte. Cetta nicht, sie war die ganze Zeit im Frachtraum geblieben. Sie hatte Angst gehabt, Natale könnte sterben.


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New York, 1909: Aus Italiens tiefstem Süden kommt Natale mit seiner Mutter in die USA. Doch in der Lower East Side gelten die Gesetze der Gangs. Nicht jeder kann sich hier behaupten, doch Natale verzaubert die Menschen mit seinem ganz besonderen Charisma.

Bibliografische Angaben

2011, 23. Aufl., 781 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
Verlag: Bastei Lübbe
ISBN-10: 3404160614
ISBN-13: 9783404160617
Erscheinungsdatum: 21.11.2011

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Autoren-Porträt von Luca Di Fulvio

Luca Di Fulvio, geb. 1957, lebt und arbeitet als freier Schriftsteller in Rom. Sein vielseitiges Talent ermöglicht es ihm, mit derselben Leichtigkeit sowohl packende Thriller für Erwachsene als auch fröhliche Geschichten für Kinder zu schreiben (letztere veröffentlicht er unter Psyeudonym). Einer seiner vorherigen Thriller, "L'Impagliatore", wurde unter dem Titel "Occhi di cristallo" für das italienische Kino verfilmt. Bevor Di Fulvio zum Schreiben kam, hat er in Rom Dramaturgie studiert, und sein Lehrmeister war kein Geringerer als Andrea Camilleri.