Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter
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Produktbeschreibung
 

Empfehlung der Hugendubel.de-Redaktion: Der Henker und die Henkerstochter


Unglaublich, aber wahr: Oliver Pötsch hat bereits über eine Million Bücher und eBooks verkauft – und sein Name ist dem breiten Publikum eher weniger bekannt. Fans von historischen Romanen natürlich schon! In jedem Fall sind die Leser in China und in den USA ganz heiß auf seine Bücher, deren inhaltliche Wurzeln in seiner Familiengeschichte liegen. Aber dazu gleich mehr. Jetzt erst mal zu seinem jüngsten Titel Der Henker und die Henkerstochter, dem bereits vierten Titel von Oliver Pötsch aus seiner „Henkerstochter“-Serie.

 

Mörderisches Andechs


Kloster Andechs, 1666: Da das Kloster immer wieder durch von Blitzeinschlägen ausgelösten Bränden teilweise zerstört wird, sucht Frater Johannes nach einer Möglichkeit, Blitze abzuleiten. Auch sonst ist der geheimnisvolle Benedektinerpater sehr erfinderisch: Er konstruiert eine Art Roboter … Hexenwerk? Offensichtlich gibt es im Kloster jemanden, der Johannes verteufelt und ihn ins Visier genommen hat!

 

Ein Henker als Kommissar …


Parallel pilgert das Ehepaar Magdalena und Simon Fronwieser nach Andechs. Magdalena ist die Tochter des Henkers Kuisl – sie gilt als unrein. Auf ihrer Reise machen die Fronwiesers einen schrecklichen Fund: den toten Kloster-Novizen Coelestin. Als Henkerstochter verfügt Magdalena über einiges medizinisches Wissen – und gemeinsam stellen sie fest, dass Coelestin keineswegs, wie andere glauben, ertrunken ist. Magdalena bittet ihren Vater um Hilfe, damit sie gemeinsam diesen mysteriösen Mord aufklären können. Doch auf dem Weg nach Andechs trifft der Henker Kuisl auf eine geheimnisvolle Alte, die ihm eine fürchterliche Katastrophe prophezeit …

 

In der Ahnengalerie: Scharfrichter um Scharfrichter


Oliver Pötsch kann in seinem Stammbaum auf illustre Ahnen blicken: Insgesamt 14 von ihnen übten den Beruf des Henkers aus. Sein Romanheld Jakob Kuisl lebte von 1612 bis 1695 im bayerischen Schongau. Meist ging das seinerzeit in der Öffentlichkeit wenig angesehene Amt des Scharfrichters vom Vater auf den Sohn über – so auch bei der Familie Pötsch. Bei seinen Recherchen über seine Familiengeschichte entdeckte Oliver Pötsch viele Ungereimtheiten und Geheimnisse, die er für seine spannenden Bücher aufgriff. In jedem Fall ist Der Henker und die Henkerstochter ein historischer Roman, wie man sich ihn nur wünschen kann: eine mitreißende Story, abwechslungsreiche Charaktere und eine Menge überraschender geschichtlicher Details. Wir freuen uns auch schon auf sein nächstes Buch über die Staufer: Die Burg der Könige. Ein Name, den man sich merken sollte Oliver Pötsch!

"Die historisch authentischen Details bilden die Würze in seiner fantasiereich, aber stringent konstruierten Kriminalgeschichte."
Süddeutsche Zeitung

Bibliografische Angaben

2013, 617 Seiten, Maße: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
Verlag: Ullstein TB
ISBN-10: 3548285503
ISBN-13: 9783548285504

Autoren-Porträt von Oliver Pötzsch

Oliver Pötzsch, Jg. 1970, arbeitet seit Jahren als Filmautor für den Bayerischen Rundfunk, vor allem für die Kultsendung quer. Er ist ein Nachfahre der Kuisls, die vom 16. bis zum 19. Jahrhundert die berühmteste Henker-Dynastie Bayerns waren. Oliver Pötzsch lebt in München.

 

Lese-Probe

Der Hexer und die Henkerstochter von Oliver Pötzsch

Prolog
Erling bei Andechs
Samstag, der 12. Juni Anno Domini 1666, abends

Unter dunklen Gewitterwolken und mit einem saftigen Fluch auf den Lippen ging der Novize Coelestin seinem baldigen Tod entgegen.
Drüben im Westen, jenseits des Ammersees, türmten sich schwarze Wirbel zu einem mächtigen Ungetüm, erste Blitze zuckten, und von fern war leises Donnern zu hören. Wenn Coelestin die Augen zusammenkniff, konnte er über der fünf Meilen entfernten Dießener Klosterkirche bereits graue Regenschwaden erkennen. Es mochte sich nur noch um Minuten handeln, bis das Gewitter über dem Heiligen Berg war, und ausgerechnet jetzt sollte er dem fetten Apothekermönch zum Abendessen einen Karpfen aus dem Klosterweiher fischen. Coelestin fluchte ein weiteres Mal und zog die Kapuze seiner schwarzen Kutte tief ins Gesicht. Was sollte er machen? Gehorsam war eines der drei Gelübde der Benediktinermönche, und Frater Johannes war nun mal sein Vorgesetzter. Ein gelegentlich cholerischer, oft rätselhafter und vor allem gefräßiger Laienbruder, aber trotzdem sein Vorgesetzter.
»Porca miseria!«
Wie so oft, wenn er schlechte Laune hatte, wechselte Coelestin in die Sprache seiner Eltern. Er war in einem italienischen Gebirgsdorf jenseits der Alpen aufgewachsen, doch die Wirren des Krieges hatten aus seinem Vater einen Söldner und aus seiner Mutter eine Marketenderin und Hure gemacht. Hier im Kloster am Heiligen Berg hatte Coelestin in der Andechser Klosterapotheke eine Heimat gefunden, und auch wenn ihm die ewigen Litaneien und die nächtlichen Gebete gelegentlich auf die Nerven gingen, fühlte er sich doch geborgen. Er bekam dreimal täglich reichlich zu essen, hatte eine warme, trockene Schlafstatt, und das Andechser Bier galt als eines der besten im ganzen bayerischen Kurfürstentum. Man konnte es in diesen schweren Zeiten wahrlich schlimmer treffen. Trotzdem schimpfte der spindeldürre kleine Novize leise vor sich hin, und das hatte nicht nur mit der Tatsache zu tun, dass er bald ebenso nass sein würde wie die Karpfen im Erlinger Klosterweiher.
Coelestin hatte Angst.
Seitdem er vor drei Tagen diese Entdeckung gemacht hatte, nagte die Furcht an ihm wie ein kleines tollwütiges Tier. Der Anblick war so entsetzlich gewesen, dass ihm beinahe das Blut in den Adern gefror. Noch immer verfolgte ihn das Gesehene in seinen Träumen, und dann wachte er schreiend und schweißüberströmt auf. Einen derartigen Frevel würde Gott nicht unbestraft lassen, so viel war sicher. Die düsteren Wolken, die Blitze am Himmel erschienen Coelestin wie erste Vorboten einer alttestamentarischen Rache, die schon bald über das Kloster kommen würde.
Noch bedrohlicher als die Ketzerei waren allerdings die hasserfüllten Blicke des Mannes. Er hatte Coelestin bei dessen überstürzter Flucht erkannt, zumindest glaubte der Novize das. Die Blicke des Ertappten sagten mehr als tausend Worte. In den letzten Tagen hatten sie ihn wie mit langen Fingern abgetastet, so als wollten sie prüfen, ob Coelestin das Geheimnis verriet.
Coelestin wusste, dass der andere mächtige Fürsprecher hatte. Würde man ihm, dem kleinen Novizen, glauben? Der Vorwurf war so ungeheuerlich, dass er Gefahr lief, für verrückt erklärt zu werden. Oder, was noch ärger wäre, fortan als Rufmörder zu gelten. Das schöne Leben mit Fleisch, Bier und warmer, trockener Schlafstatt wäre dann vermutlich für immer vorbei.
Trotzdem hatte Coelestin beschlossen zu reden. Gleich morgen würde er dem Klosterrat melden, was er gesehen hatte, und sein Gewissen wäre endlich wieder rein.
Ein mächtiger Donner rollte über das Land, und der fröstelnde Novize spürte erste kühle Regentropfen im Gesicht. Er raffte seine Kutte und beschleunigte seine Schritte. Schon bald hatte er die letzten Häuser von Erling hinter sich gelassen. Felder und Weiden breiteten sich vor ihm aus, hinter einem kleinen Waldstück, umgeben von Zäunen und Buschwerk, lag der Karpfenweiher. Als Coelestin sich umdrehte, sah er über sich auf dem Berg, überragt von dunklen Gewitterwolken, das Kloster stehen - sein Zuhause, das er vielleicht schon bald würde verlassen müssen. Er seufzte und schlurfte die letzten Meter zum Weiher wie zu seiner eigenen Hinrichtung.
Mittlerweile fielen die Tropfen immer schneller vom Himmel, die Oberfläche des Teichs brodelte wie eine giftige Brühe. Coelestin sah die fetten grauen Leiber der Karpfen, die sich zu Dutzenden in dem trüben Wasser wanden. Ihre hungrigen Mäuler schnappten nach den Regentropfen, so als wären sie göttliches Manna, das vom Himmel fiel. Coelestin schüttelte sich vor Abscheu. Er hatte Karpfen noch nie leiden können. Sie waren dumme schleimige Aasfresser, deren Fleisch nach Moos und Verwesung schmeckte. Die Fische erinnerten ihn an die Ungetüme, die er von Bildern mit Jonas und dem Wal kannte. Grässliche Wesen aus der Tiefe, die alles schluckten und fraßen, was vor ihnen im Wasser zappelte.
Zaghaft betrat Coelestin den schmalen, rutschigen Steg und griff nach dem Kescher, der an einem Molenpfosten lehnte. Die Kapuze tief im Gesicht, duckte er sich gegen die Wand aus Regen und Wind und ließ lustlos das Netz im Wasser hin und her gleiten. Wenn er sich beeilte, war er vielleicht wieder in der Klosterapotheke, bevor auch noch die Hose und die Socken unter der dicken schwarzen Wollkutte klatschnass wurden. In einem anderen Leben hätte er Frater Johannes den Karpfen vermutlich um die feisten Wangen gehauen, aber so war er zum Beten und Gehorchen verdammt. Das war eben der Preis, den er für ein angenehmes Leben bezahlte.
Ein Geräusch ließ den Novizen innehalten, ein leises Knarren, vom Donner beinahe übertönt, so als hätte jemand hinter ihm den Steg betreten. Doch gerade als Coelestin sich umdrehen wollte, zappelte etwas im Netz des Keschers. Mit einem Seufzer der Erleichterung zog er die lange Stange zu sich Heran.
»Hab dich«, murmelte er. »Wollen mal sehen, was für ein fetter Brocken ...«
In diesem Augenblick traf ihn etwas Schweres am Hinterkopf. Coelestin schwankte, taumelte, geriet auf dem vom Regen glitschigen Holzsteg ins Rutschen und fiel schließlich samt Kescher in die brodelnden Wasser des Weihers. Wild schlug er um sich und kämpfte um sein Leben. Wie so viele Menschen seiner Zeit konnte Coelestin zwar einem Hasen die Haut abziehen, einige Hundert Kräuter am Duft unterscheiden und weite Teile der Bibel auswendig vorbeten. Nur eines konnte er nicht - schwimmen.
Der junge Novize schrie und zappelte, er ruderte mit den Armen und strampelte mit den dünnen Beinen, doch sein eigenes Gewicht zog ihn unerbittlich in die Tiefe. Mit einem Mal spürte er den morastigen Grund unter seinen Füßen, er stieß sich ab und tauchte japsend aus dem Wasser auf. Als er in letzter Verzweiflung um sich griff, bekam er plötzlich die Stange des Keschers zu fassen, der vor ihm an der Oberfläche trieb. Der Mönch hielt sich daran fest und zog sich hoch. Zwischen den immer heftiger werdenden Regenschauern sah er auf dem Steg eine vermummte Gestalt stehen, die das andere Ende des Keschers hielt.
»Hab Dank!«, ächzte er. »Du hast mir das Leben ...«
In diesem Moment drückte die Gestalt den Kescher nach unten, so dass Coelestin gurgelnd versank. Als er wieder an die Oberfläche kam, merkte er, dass die Stange ihn erneut kraftvoll nach unten presste.
»Aber ...«, begann der Novize, da füllte sich sein Mund mit trübem Teichwasser und erstickte seinen letzten verzweifelten Schrei. Lautlos versank er im Weiher.
Während das Leben in perlenden Luftblasen aus seinem Körper wich, fühlte Coelestin noch, wie sich die fetten schleimigen Karpfen an seinen Wangen rieben und in den kurzen Haaren der Mönchstonsur gründelten. Als der sterbende Jüngling endlich auf den Grund sank, hatte er den Mund ebenso weit aufgesperrt wie die Fische um ihn her um, die ihn mit dummen, ausdruckslosen Augen anstarrten.
Der Mann auf dem Steg sah noch eine Weile auf die blubbernden Blasen. Endlich nickte er zufrieden, stellte den Kescher zurück an seinen Platz und machte sich auf den Heimweg.
Es galt, das Werk zu vollenden.

© by Ullstein Taschenbuchverlag