Der Heckenritter von Westeros Das Urteil der Sieben

Der Heckenritter von Westeros Das Urteil der Sieben
Produktcode: AD5382
Preis ohne MWSt.: 25,00 €
Preis inkl. MWSt.: 25,00 €

Produktbeschreibung


Empfehlung der Hugendubel.de-Redaktion: Der Heckenritter von Westeros


Mit der mehrteiligen Saga Das Lied von Eis und Feuer hat sich der Amerikaner George R. R. Martin einen Ehrenplatz in der Ruhmeshalle der Fantasy-Literatur für immer erobert. Millionen Leser auf der ganzen Welt liegen ihm zu Füßen und er hat ihre Rufe erhört: Der Hexenritter von Westeros spielt ein Jahrhundert vor Das Lied von Eis und Feuer und erzählt deren Vorgeschichte!

Wie alles begann


Nach dessen Tod nimmt der Knappe Dunk das Schwert seines Herrn in Besitz. Auch er will unbedingt ein Ritter werden und versucht sich in einem Turnier. „Ser Duncan“ ist voller Euphorie, aber auch sehr einfältig. Er versteht noch nicht die Welt und Spielregeln der Edlen und Mächtigen! Und so macht er sich auch viele Feinde, als er einen Platz im Turnier zu ergattern versucht. Doch es zeigt sich, dass in ihm ein fähiger Kämpfer steckt. Aber ob dies reicht, damit er in den Augen der anderen als ehrenhafter Ritter gilt?

Ein Genie, wenn es um phantastische Fantasy geht: George R. R. Martin


Schon in jungen Jahren machte George R. R. Martin mit an Einfällen überbordenden Science-Fiction-Kurzgeschichten Kenner auf sich aufmerksam und erhielt dafür z.B. den „Hugo Award“. Später war er Dramaturg und damit Kopf der TV-Serie „Twilight Zone“. Was für ein großes Glück, dass er für Der Hexenritter von Westeros wieder in die Welt der Bücher zurückgekehrt ist. Dieses Fantasy-Spektakel sollten sich Fans des Genres unbedingt gönnen!
 

Klappentext zu „Der Heckenritter von Westeros“

Die Vorgeschichte zu "Das Lied von Eis und Feuer"
Ein Jahrhundert vor den Ereignissen in der Bestsellersaga Das Lied von Eis und Feuer nimmt ein Knappe namens Dunk das Schwert seines verstorbenen Herren an sich. Er will an einem Turnier teilnehmen, um selbst ein Ritter zu werden. Doch "Ser Duncan" hat noch viel zu lernen über die Welt der Edlen und Mächtigen. Beim Versuch, einen Platz im Turnier zu ergattern, macht er sich bald ebenso viele Feinde wie Freunde. Dunk ist ein fähiger Kämpfer mit einem starken Ehrempfinden. Doch wird das reichen, um ihn in den Augen der Welt als wahrer Ritter dastehen zu lassen? Oder ist er nur ein fehlgeleiteter junger Mann, der sich und andere in tödliche Gefahr bringt?

 

Autoren-Porträt

George R. R. Martin, geb. 1948 in Bayonne/New Jersey, veröffentlichte seine ersten Kurzgeschichten im Jahr 1971 und gelangte damit in der Science-Fiction-Szene zu frühem Ruhm. Gleich mehrfach wurde ihm der renommierte Hugo Award verliehen. Danach arbeitete er in der Produktion von Fernsehserien, etwa als Dramaturg der TV-Serie 'Twilight Zone', ehe er 1996 mit einem Sensationserfolg auf die Bühne der Fantasy-Literatur zurückkehrte: Sein mehrteiliges Epos 'Das Lied von Eis und Feuer' wird einhellig als Meisterwerk gepriesen. George R. R. Martin lebt in Santa Fe, New Mexico.Joachim Körber wurde 1958 in Karlsruhe geboren. 1978/79 machte er sich als freier Übersetzer selbstständig. 1984 gründete Körber nach amerikanischem Vorbild zusammen mit Thomas Bürk (der 1993 ausschied) und Uli Kohnle den Verlag Edition Phantasia, um Science Fiction, Horror und Fantasy in gediegenen, numerierten, häufig illustrierten und von den Autoren und Illustratoren handsignierten Ausgaben auf den Markt zu bringen. 1998 erschien sein erster Roman. Daneben war Körber mehrfach in der Rubrik "Bester Übersetzer" für den Kurd Laßwitz Preis nominiert.

 

Lese-Probe

Der Heckenritter von Westeros von George R. R. Martin


Der Frühlingsregen hatte den Boden aufgeweicht, daher fiel es Dunk nicht schwer, das Grab zu schaufeln. Er entschied sich für eine Stelle am Westhang eines flachen Hügels, da der alte Mann immer gern den Sonnenuntergang angeschaut hatte. »Wieder ein Tag vorbei«, pflegte er traurig zu sagen, »und wer weiß, was uns der Morgen bringen wird, was, Dunk?«

Nun, ein Morgen hatte Regen gebracht, der sie bis auf die Knochen durchnässte, und der Morgen danach nasse, böige Winde, der nächste Kälte und Fieber. Am vierten Tag war der alte Mann zu schwach gewesen, um zu reiten. Und nun war er tot. Noch vor wenigen Tagen hatte er beim Reiten gesungen, das alte Lied, das davon handelte, nach Möwenstadt zu gehen, um eine schöne Maid zu finden, aber statt von Möwenstadt hatte er über Aschfurt gesungen. Nach Aschfurt, um die Schöne Maid zu seh'n, he-ho, he-ho, dachte Dunk beim Graben traurig.

Als das Loch tief genug war, hob Dunk den Leichnam des alten Mannes hoch und trug ihn dorthin. Er war ein kleiner Mann gewesen, und dünn; ohne Halsberge, Helm und Schwertgürtel schien er kaum mehr zu wiegen als ein Sack voll Laub. Dunk war riesengroß für sein Alter, ein schlurfender, zerzauster, kräftiger Junge von sechzehn oder siebzehn Jahren (niemand war sich da ganz sicher), der über zwei Meter maß und gerade erst allmählich Fleisch auf die Knochen bekam. Der alte Mann hatte seine Stärke oft gelobt. Mit seinem Lob war er immer großzügig gewesen. Mehr hatte er auch nicht zu geben.

Dunk legte ihn in das Grab und blieb einige Zeit über ihm stehen. Der Geruch von Regen hing wieder in der Luft, und er wusste, er sollte das Loch zuschaufeln, ehe es zu regnen begann, aber es war schwer, Erde auf das müde alte Gesicht zu schaufeln. Es sollte ein Septon hier sein, um ein paar Gebete für ihn zu sprechen, aber er hat nur mich. Der alte Mann hatte Dunk alles beigebracht, was er über Schwerter und Schilde und Lanzen wusste, war aber nie besonders gut darin gewesen, ihm Worte beizubringen.

»Ich würde Euch Euer Schwert dalassen, aber das würde nur im Boden rosten«, rechtfertigte er sich schließlich. »Ich schätze, die Götter werden Euch ein neues geben. Ich wünschte, Ihr wärt nicht gestorben, Ser.« Er verstummte, da er nicht sicher war, was noch gesagt werden musste. Er kannte keine Gebete, jedenfalls keine vollständigen; der alte Mann hatte nie viel vom Beten gehalten. »Ihr wart ein wahrer Ritter und habt mich nie geschlagen, wenn ich es nicht verdient hatte«, brachte er schließlich heraus, »abgesehen von dem einen Mal in Jungfernteich. Es war der Junge vom Gasthof, der den Kuchen der Witwe gegessen hat, nicht ich, das habe ich Euch gesagt. Spielt jetzt aber keine Rolle mehr. Mögen die Götter Euch aufnehmen, Ser.« Er trat Erde in das Loch, dann füllte er es zielstrebig, ohne das Ding auf dem Grund noch einmal anzusehen. Er hatte ein langes Leben, dachte Dunk. Er muss näher an sechzig als an fünfzig gewesen sein, und wie viele Männer können das schon von sich sagen? Immerhin hatte er lange genug gelebt, um noch einmal einen Frühling zu sehen.

Die Sonne stand im Westen, als er die Pferde fütterte. Es waren drei; sein Fuchswallach mit dem Senkrücken, der Zelter des alten Mannes und Donner, sein Schlachtross, das er nur beim Turnier und in der Schlacht geritten hatte. Der große braune Hengst war nicht mehr so schnell und ausdauernd wie früher, hatte aber noch seine leuchtenden Augen und seinen wilden Kampfgeist und war wertvoller als alles andere, was Dunk besaß. Wenn ich Donner und den alten Fuchs und die Sättel samt Zaumzeug verkaufen würde, bekäme ich genug Silber, um ... Dunk runzelte die Stirn. Das einzige Leben, das er kannte, war das eines Heckenritters, der von Festung zu Festung ritt, sich in die Dienste dieses und jenes Lords stellte, an ihren Kämpfen teilnahm und in ihren Hallen aß, bis der Krieg vorüber war, und dann weiterzog. Von Zeit zu Zeit fanden auch Turniere statt, wenn auch immer seltener, und er wusste, dass manche Heckenritter in strengen Wintern zu Räubern wurden, aber der alte Mann hatte das nie getan.

Ich könnte einen anderen Heckenritter suchen, der einen Knappen braucht, um seine Tiere zu versorgen und seine Brünne zu reinigen, dachte er, oder vielleicht könnte ich in eine Stadt gehen, nach Lennishort oder Königsmund, und der Stadtwache beitreten. Oder aber ...

Er hatte die Habseligkeiten des alten Mannes unter einer Eiche aufgestapelt. In dem Leinenbeutel befanden sich drei Silberhirsche, neunzehn Kupferheller und ein gesplitterter Granat; der größte Teil seines weltlichen Besitzes hatte, wie bei den meisten Heckenrittern, aus seinem Pferd und seinen Waffen bestanden. Dunk besaß nun ein Panzerhemd aus Ketten, von dem er tausendmal den Rost abgekratzt hatte. Einen eisernen Halbhelm mit breitem Nasenschutz und einer Delle an der linken Schläfe. Einen Schwertgürtel aus rissigem braunem Leder und ein Langschwert in einer Scheide aus Holz und Leder. Einen Dolch, eine Rasierklinge, einen Wetzstein. Beinschienen und Halsberge, eine zweieinhalb Meter lange Kriegslanze aus gedrechseltem Eschenholz mit einer schrecklichen Spitze aus Eisen und einen Eichenschild mit einem zerschrammten Metallrand und dem Wappen von Ser Arlan von Hellerbaum: ein geflügelter Kelch, Silber auf Braun.

Dunk betrachtete den Schild, hob den Schwertgürtel auf und sah wieder den Schild an. Der Gürtel war für die knochigen Hüften des alten Mannes gemacht. Er würde ihm selbst nie und nimmer passen, so wenig wie die Halsberge. Er band die Scheide an ein Stück Hanfseil, knotete es um die Taille und zog das Langschwert.

Die Klinge war gerade und schwer, guter, in einer Burg geschmiedeter Stahl, der Griff aus weichem, über Holz gespanntem Leder, der Knauf aus glattem, poliertem schwarzem Stein. So schlicht es war, das Schwert lag ihm gut in der Hand, und Dunk wusste, wie scharf es war, da er es viele Nächte mit dem Wetzstein bearbeitet hatte, bevor sie sich schlafen legten. Es liegt mir so gut in der Hand wie ihm, dachte er bei sich, und in Aschfurt findet ein Turnier in der Aue statt.

Leichtfuß hatte einen weicheren Gang als der alte Fuchs, aber Dunk war dennoch wund und müde, als er vor sich das Gasthaus erblickte, ein hohes Fachwerkgebäude am Flussufer. Das anheimelnde gelbe Licht, das aus den Fenstern strahlte, sah so einladend aus, dass er nicht daran vor beireiten konnte. Ich habe drei Silberhirsche, dachte er bei sich, genug für eine gute Mahlzeit und so viel Bier, wie ich trinken kann.

Als er abstieg, kam ein nackter Junge tropfend aus dem Bach und trocknete sich mit einem grob gewirkten braunen Mantel ab. »Bist du der Stallbursche?«, fragte Dunk ihn. Der Junge schien nicht älter als acht oder neun zu sein, ein Knochengestell mit blassem Gesicht, die nackten Füße bis zu den Knöcheln schlammverkrustet. Sein Haar war das Merkwürdigste an ihm. Er hatte keines. »Ich möchte, dass mein Zelter gestriegelt wird. Und Hafer für alle drei. Kannst du dich um sie kümmern?«

Der Junge sah ihn dreist an. »Ich könnte. Wenn ich wollte.«

Dunk runzelte die Stirn. »Das lasse ich mir nicht bieten. Ich bin ein Ritter, musst du wissen.«

»Ihr seht nicht wie ein Ritter aus.«

»Sehen alle Ritter gleich aus?«

»Nein, aber sie sehen auch nicht wie Ihr aus. Euer Schwertgürtel ist aus Seil.«

»Solange er die Scheide hält, genügt er. Und jetzt kümmere dich um meine Pferde. Du bekommst ein Kupferstück, wenn du es gut machst, und eine Ohrfeige, wenn nicht.« Er wartete nicht ab, wie der Stallbursche darauf reagierte, sondern wandte sich ab und drängte sich zur Tür hinein.

Er hatte damit gerechnet, dass das Gasthaus um diese Zeit brechend voll sein würde, aber der Schankraum war so gut wie leer. Ein junger Lord in einem edlen Damastmantel lag besinnungslos auf einem Tisch und schnarchte leise in einer Weinlache. Sonst war niemand da. Dunk sah sich unsicher um, bis eine stämmige, kleine Frau mit käseweißem Gesicht aus der Küche kam und sagte: »Setz dich, wohin du willst. Willst du Bier haben oder Essen?«

»Beides.« Dunk setzte sich in die Nähe des Fensters, in sicherem Abstand von dem schlafenden Mann.

»Wir haben gutes Lamm in einer Kräuterkruste und Enten , die mein Sohn geschossen hat. Was möchtest du?«

Er hatte seit einem halben Jahr oder länger nicht mehr in einem Gasthaus gegessen. »Beides.«

Die Frau lachte. »Nun, groß genug dafür bist du.« Sie zapfte einen Krug Bier und brachte ihn an seinen Tisch. »Möchtest du auch ein Zimmer für die Nacht?«

»Nein.« Dunk hätte nichts lieber gehabt als eine weiche Strohmatratze und ein Dach über dem Kopf, aber er musste sparsam mit seinen Münzen umgehen. Der Erdboden würde genügen. »Etwas zu essen, ein wenig Bier, und dann weiter nach Aschfurt. Wie weit ist das noch?«

»Einen Tagesritt. Reite an der Gabelung bei der ausgebrannten Mühle nach Norden. Versorgt mein Junge deine Pferde, oder ist er schon wieder abgehauen?«

»Nein, er ist da«, sagte Dunk. »Du scheinst keine Gäste zu haben.«

»Die halbe Stadt ist ausgeflogen, um sich das Turnier anzusehen. Meine beiden wären auch dort, wenn ich es dulden würde. Sie erben das Gasthaus, wenn ich einmal nicht mehr bin, aber der Junge würde lieber mit den Soldaten herumschwadronieren, und das Mädchen seufzt und kichert jedes Mal, wenn ein Ritter vorbeireitet. Ich schwöre, ich kann dir nicht sagen, warum. Ritter sind genauso gebaut wie andere Männer, und ich habe noch nie gehört, dass ein Turnier etwas an den Eierpreisen geändert hätte.« Sie sah Dunk neugierig an; sein Schwert und Schild verrieten ihr eines, das Seil als Gürtel und der grobe Waffenrock etwas anderes. »Du bist selbst zu dem Turnier unterwegs?«

Er trank einen Schluck Bier, ehe er antwortete. Es hatte eine dunkelbraune Farbe, wie Nüsse, und war kräftig gebraut, so wie er es mochte. »Ja«, sagte er. »Ich will einer der Recken werden.«

»Ach, tatsächlich?« antwortete die Schankwirtin nicht unhöflich.

Auf der anderen Seite des Zimmers hob der junge Lord den Kopf aus der Weinlache. Sein Gesicht hatte eine fahle, ungesunde Farbe unter einem Rattennest aus sandfarbenem Haar; blonde Stoppeln überzogen sein Kinn. Er rieb sich den Mund, sah Dunk an und sagte: »Ich habe von dir geträumt.« Seine Hand zitterte, als er mit dem Finger auf ihn zeigte. »Bleib mir vom Leib, hast du gehört? Bleib mir bloß vom Leib.«

Dunk sah ihn unsicher an. »Mylord?«

Die Schankwirtin beugte sich zu ihm herab. »Achtet nicht auf den da, Ser. Er macht nichts anderes als trinken und von seinen Träumen sprechen. Ich kümmere mich um das Essen.« Sie entschwand.

»Essen?« Bei dem jungen Lord klang das Wort wie ein Schimpfwort. Er erhob sich taumelnd und stützte sich mit einer Hand auf der Tischplatte ab, damit er nicht umfiel. »Mir wird schlecht«, verkündete er. Die Vorderseite seines Waffenrocks war von alten Weinflecken rot verkrustet. »Ich wollte eine Hure, aber hier ist nirgends eine zu finden. Alle sind nach Aschfurt aufgebrochen. Gute Götter, ich brauche Wein!« Er schlurfte unsicher aus dem Schankraum, Dunk hörte ihn leise singend eine Treppe hinaufgehen.

Ein trauriges Geschöpf, dachte Dunk. Aber warum glaubt er, dass er mich kennt? Er dachte einen Moment bei seinem Bier darüber nach.

Das Lamm war das beste, das er je gegessen hatte, und die Ente war sogar noch besser, mit Kirschen und Limonen gekocht und längst nicht so fett wie die meisten. Die Schankwirtin brachte Buttererbsen und Haferbrot dazu, das noch ofenwarm war. Das heißt es, ein Ritter zu sein, dachte er bei sich, als er das letzte Stückchen Fleisch vom Knochen nagte. Gutes Essen und Bier, wann immer ich es will, und niemand, der mir eine Ohrfeige gibt. Er trank einen zweiten Krug Bier zu der Mahlzeit und einen dritten, um sie hinunterzuspülen, dann einen vierten, weil ihm niemand sagte, dass er das nicht dürfe, und als er fertig war, bezahlte er die Frau mit einem Silberhirschen und bekam trotzdem noch eine Handvoll Kupfermünzen zurück.

Als Dunk wieder hinausging, war es dunkel geworden. Sein Magen war voll, seine Börse ein wenig leichter, aber er fühlte sich gut, als er zu den Ställen ging. Vor sich hörte er ein Pferd wiehern. »Sacht, Junge«, sagte die Stimme eines Knaben. Dunk legte stirnrunzelnd einen Schritt zu.

Er fand den Stallburschen, der die Rüstung des alten Mannes trug, auf Donner sitzend. Das Panzerhemd war länger als er, und er musste den Helm auf seinem kahlen Kopf nach hinten schieben, weil er ihm sonst die Augen verdeckt hätte. Er sah vollkommen konzentriert und vollkommen absurd aus. Dunk blieb an der Stalltür stehen und lachte.

Der Junge schaute auf, errötete und sprang zu Boden. »Mylord, ich wollte nicht ...«

»Du Dieb«, sagte Dunk und versuchte, streng zu klingen. »Nimm die Rüstung ab, und sei froh, dass Donner dir nicht gegen den Narrenkopf getreten hat. Er ist ein Schlachtross, kein Kinderpony.«

Der Junge nahm den Helm ab und warf ihn ins Stroh. »Ich könnte ihn genau so gut reiten wie Ihr«, sagte er so kühn wie möglich.

»Mach den Mund zu, ich will deine Frechheiten nicht hören. Das Panzerhemd auch, zieh es aus! Was hast du dir dabei gedacht?«

»Wie soll ich Euch das sagen, wenn ich den Mund zumachen soll?« Der Junge wand sich aus dem Kettenhemd und ließ es fallen.

»Zum Antworten kannst du den Mund aufmachen«, sagte Dunk. »Jetzt heb das Kettenhemd auf, schüttle den Dreck heraus, und leg es dorthin zurück, wo du es gefunden hast. Und den Halbhelm auch. Hast du die Pferde gefüttert, wie ich es dir gesagt habe? Und Leichtfuß gestriegelt? «

»Ja«, sagte der Junge, während er Stroh aus dem Kettenhemd schüttelte. »Ihr geht nach Aschfurt, nicht wahr? Nehmt mich mit, Ser.«

Davor hatte die Schankwirtin ihn gewarnt. »Und was würde deine Mutter dazu sagen?«

»Meine Mutter?« Der Junge verzog das Gesicht. »Meine Mutter ist tot, sie würde gar nichts dazu sagen.«

Er war überrascht. War die Schankwirtin nicht seine Mutter? Vielleicht war er nur Bursche bei ihr. Dunk schwirrte der Kopf ein wenig vom Bier. »Bist du ein Waisenjunge?«, fragte er unsicher.
»Seid Ihr denn einer?«, gab der Junge zurück.

»Ich war mal einer«, gab Dunk zu. Bis der alte Mann mich angenommen hat.

»Wenn Ihr mich mitnehmt, könnte ich Euer Knappe sein.«

»Ich brauche keinen Knappen«, sagte er.

»Jeder Ritter braucht einen Knappen«, erwiderte der Junge. »Und Ihr seht aus, als würdet Ihr ganz dringend einen brauchen.«

Dunk hob drohend eine Hand. »Und mir scheint, du siehst aus, als würdest du eine Ohrfeige brauchen. Füll mir einen Beutel mit Hafer. Ich reite nach Aschfurt ... allein.«

Falls der Junge Angst hatte, verbarg er es gut. Einen Augen blick stand er trotzig und mit verschränkten Armen da, doch als Dunk gerade aufgeben wollte, drehte sich der Junge um und ging den Hafer holen.

Dunk war erleichtert. Ein Jammer, dass ich ihn nicht ... aber er hat ein gutes Leben hier im Wirtshaus, ein besseres als der Knappe eines Heckenritters. Ich würde ihm keinen Gefallen tun, wenn ich ihn mitnähme.

Aber er konnte die Enttäuschung des Jungen spüren. Als er Leichtfuß bestieg und Donners Zügel nahm, beschloss Dunk, dass ein Kupferheller ihn aufmuntern würde. »Hier, Junge, für deine Hilfe.« Er schnippte lächelnd die Münze zu ihm hinunter, aber der Stallbursche machte keine Anstalten, sie zu fangen. Sie fiel zwischen seinen nackten Füßen in den Dreck, und da ließ er sie liegen.

Sobald ich weg bin, wird er sie aufheben, sagte sich Dunk. Er ließ den Zelter kehrtmachen, ritt von dem Gasthaus weg und führte die beiden anderen Pferde neben sich her. Die Bäume standen hell im Mondschein, der Himmel war wolkenlos und voller Sterne. Als Dunk den Weg entlangritt, spürte er, wie der Stalljunge ihm verdrossen und stumm nachsah.

Die Schatten des Nachmittags wurden lang, als Dunk am Rain der Aue von Aschfurt die Zügel anzog. Sechzig Zelte waren bereits auf den Wiesen errichtet worden. Manche waren klein, manche groß; manche eckig, manche rund; manche aus Segeltuch, manche aus Leinen, manche aus Seide; aber alle waren bunt, und lange Banner flatterten von ihren Mittelpfosten. Sie waren strahlender als ein Feld voller Wildblumen, in vollem Rot und Sonnengelb und allen Schattierungen von Grün und Blau sowie tiefen Schwarz-, Grau- und Violetttönen.

Der alte Mann war mit einigen dieser Ritter geritten; andere kannte Dunk aus Geschichten, die in Wirtshäusern und an Lagerfeuern erzählt wurden. Auch wenn er den Zauber des Lesens und Schreibens nie gelernt hatte, war der alte Mann unerbittlich gewesen, wenn es darum ging, ihn Heraldik zu lehren, und er hatte ihm die Wappen oft beim Reiten eingebleut. Die Nachtigallen gehörten Lord Caron aus den Marschen, der mit der Hohen Harfe so geschickt umzugehen wusste wie mit der Lanze. Der gekrönte Hirsch gehörte Ser Lyonel Baratheon, dem Lachenden Sturm. Dunk erkannte den Jägersmann von Tarly, den violetten Blitz des Hauses Dondarrion, den roten Apfel der Fossoweys. Dort brüllte der Löwe von Lennister golden auf Purpurrot, und dort schwamm die dunkelgrüne Wasserschildkröte der Estermonts auf einem hellgrünen Feld. Das braune Zelt unter dem roten Hengst konnte nur Ser Otho Bracken gehören, der nur die Bestie von Bracken genannt wurde, seit er vor drei Jahren Lord Quentyn Schwarzhain bei einem Turnier in Königsmund erschlagen hatte. Dunk hatte gehört, Ser Otho hätte derart fest mit der stumpfen Langaxt zugeschlagen, dass er das Visier von Lord Schwarzhains Helm mitsamt dem Gesicht darunter eingeschlagen hatte. Er sah auch einige Banner der Schwarzhains am westlichen Rand der Wiese, so weit von Ser Otho entfernt, wie es nur ging. Marbrand, Mallister, Cargyll, Westerling, Swann, Mullendor, Hohenturm, Florent, Frey, Fünfrosen, Schurwerth, Darry, Parren, Wyld; es schien, als hätten sämtliche Adelshäuser des Westens und Südens einen Ritter oder drei nach Aschfurt entsandt, um die Schöne Maid zu sehen und ihr zu Ehren den Sieg zu erringen.

Doch so hübsch ihre Zelte auch anzuschauen waren, er wusste, dass da kein Platz für ihn war. Ein fadenscheiniger Wollmantel würde der einzige Schutz sein, den er heute Nacht hatte. Während die Lords und hohen Ritter Kapaune und Spanferkel speisten, würde Dunks Abendessen aus einem harten, sehnigen Stück Dörrfleisch bestehen. Er wusste nur zu gut, wenn er sein Lager auf diesem prächtigen Feld aufschlug, würde er stumme Verachtung und unverblümten Spott über sich ergehen lassen müssen. Ein paar würden ihn vielleicht freundlich behandeln, aber auf eine Art und Weise, die fast noch schlimmer war.

Ein Heckenritter musste auf seinen Stolz achten. Ohne ihn war er nichts weiter als ein Söldner. Ich muss mir meinen Platz in dieser Gesellschaft verdienen. Wenn ich gut kämpfe, nimmt mich vielleicht ein Lord in seinen Haushalt auf. Dann werde ich in edler Gesellschaft reiten und jeden Abend frisches Fleisch in der Halle einer Burg essen und bei Turnieren mein eigenes Zelt aufstellen. Aber vorher muss ich mich gut schlagen. Widerwillig drehte er dem Turniergelände den Rücken zu und führte seine Pferde unter die Bäume.
An den Rändern der großen Wiese, eine gute halbe Meile von Stadt und Burg entfernt, fand er eine Stelle, wo die Biegung eines Baches einen tiefen Teich bildete. Dichtes Schilfrohr wuchs an den Ufern, und über allem ragte eine hohe, dicht belaubte Ulme auf. Das Frühlingsgras hier war so grün wie das Banner eines Ritters und fühlte sich weich an. Es war ein hübsches Fleckchen, und noch niemand hatte es für sich beansprucht. Dies wird mein Zelt sein, sagte Dunk zu sich, ein Zelt mit einem Dach aus Blättern, grüner noch als die Banner der Tyrells und Estermonts.

Zuerst kamen die Pferde dran. Als sie versorgt waren, zog er sich aus und watete in den Teich, um den Staub der Reise abzuwaschen. »Ein wahrer Ritter ist ebenso reinlich wie gottesfürchtig«, hatte der alte Mann immer gesagt und darauf bestanden, dass sie sich zu jedem Mondwechsel von Kopf bis Fuß wuschen, ob sie nun übel rochen oder nicht. Jetzt, da er selbst ein Ritter war, schwor Dunk, dass er es ebenso halten würde.

Er saß nackt unter der Ulme, während er allmählich trocken wurde, genoss die warme Frühlingsluft auf der Haut und sah einer Drachenfliege zu, die träge zwischen dem Schilfgras dahinflog. Warum nennt man Libellen auch Drachenfliegen?, fragte er sich. Sie haben keine Ähnlichkeit mit einem Drachen. Nicht dass Dunk je einen Drachen gesehen hätte. Der alte Mann allerdings schon. Dunk hatte die Geschichte fünfzigmal gehört. Als Ser Arlan ein kleiner Junge gewesen war, hatte sein Großvater ihn mit nach Königsmund genommen, wo sie den letzten Drachen gesehen hatten, ein Jahr bevor er starb. Ein grünes Weibchen war es gewesen, klein und verkrüppelt, mit verdorrten Schwingen. Aus keinem ihrer Eier war je ein Junges geschlüpft. »Manche sagen, dass König Aegon sie vergiftet hat«, pflegte der alte Mann zu erzählen. »Das war der dritte Aegon, nicht König Daerons Vater, sondern der, den sie Drachentod nannten, oder Aegon den Unglücklichen. Er hatte Angst vor Drachen, denn er hatte gesehen, wie die Bestie seines Onkels seine eigene Mutter verschlang. Die Sommer sind kürzer geworden, seit der letzte Drache gestorben ist, und die Winter länger und bitterer.«

Als die Sonne hinter den Baumspitzen verschwand, wurde es kühler. Sowie Dunk Gänsehaut auf den Armen spürte, klopfte er seinen Waffenrock und die Hose am Stamm der Ulme aus, um den gröbsten Schmutz abzuschütteln, und zog sie wieder an. Morgen konnte er den Turniermeister aufsuchen und seinen Namen eintragen lassen, aber heute Abend musste er sich um andere Dinge kümmern, wenn er jemanden herausfordern wollte.

Er musste sein Spiegelbild im Wasser nicht betrachten, um zu wissen, dass er nicht sonderlich nach einem Ritter aussah, daher schlang er sich Ser Arlans Schild über den Rücken, um das Wappen zu zeigen. Er legte den Pferden lockere Fußfesseln an und ließ sie an dem saftigen grünen Gras unter der Ulme knabbern, während er sich zu Fuß auf den Weg zum Turniergelände machte.

In normalen Zeiten diente die Aue auf der anderen Seite des Flusses den Leuten aus Aschfurt als Weideland, aber heute war sie wie verwandelt. Über Nacht war eine zweite Stadt entstanden, eine Stadt aus Seide statt aus Stein, größer und schöner als ihre ältere Schwester. Dutzende Kaufleute hatten ihre Stände am Feldrain aufgebaut und verkauften Pelze und Obst, Gürtel und Stiefel, Häute und Falken, Keramik , Edelsteine, Zinngeschirr, Gewürze, Federn und tausend andere Waren. Jongleure, Puppenspieler und Zauberer schritten durch die Menge und gingen ihrem Gewerbe nach ... genau wie die Huren und Beutelschneider. Dunk hielt wachsam eine Hand auf seinen Münzen.

Als er den Duft von Bratwürsten roch, die über einem offenen Feuer brutzelten, lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Er kaufte eine und bezahlte mit einer Kupfermünze aus seinem Beutel, danach ein Horn Bier, um die Wurst hinunterzuspülen. Beim Essen sah er einem bemalten Ritter aus Holz zu, der gegen einen bemalten Drachen aus Holz kämpfte. Die Puppenspielerin, die den Drachen bewegte, bot auch einen interessanten Anblick: eine hochgewachsene Bohnenstange mit der olivfarbenen Haut und dem schwarzen Haar von Dorne. Sie war dünn wie eine Lanze und hatte keine nennenswerten Brüste, aber Dunk mochte ihr Gesicht, und ihm gefiel, wie ihre Finger den Drachen am Ende seiner Schnüre schnappen und zappeln ließen. Er hätte dem Mädchen ein Kupferstück zugeworfen, hätte er eins erübrigen können, aber gerade jetzt brauchte er jede Münze.

Wie er gehofft hatte, befanden sich auch Waffenschmiede unter den Kaufleuten. Ein Tyroshi mit blauem Gabelbart verkaufte verzierte Helme, grandiose, phantastische Hauben in Form von Vögeln und Vierbeinern, in Silber und Gold eingefasst. Andernorts fand er einen Schwertmacher, der billige Stahlklingen an den Mann brachte, und einen anderen, dessen Arbeit weitaus erlesener war, aber an einem Schwert fehlte es ihm nicht.

Der Mann, den er brauchte, war ganz am Ende der Reihe und hatte ein feines Kettenhemd und ein Paar Stahlhandschuhe mit Scharnieren vor sich auf dem Tisch ausgestellt. Dunk begutachtete sie eingehend. »Gute Arbeit«, sagte er.

»Gibt keine bessere.« Der Schmied war ein untersetzter Mann, kaum einen Meter sechzig groß, aber an Brust und Armen so kräftig wie Dunk. Er hatte einen schwarzen Bart, riesige Pranken und keine Spur von Bescheidenheit.

»Ich brauche eine Rüstung für das Turnier«, ließ Dunk ihn wissen. »Ein Hemd aus feinem Kettenwerk mit Halsberge, Beinschienen und einem Großhelm.« Der Halbhelm des alten Mannes würde ihm passen, aber er wollte mehr Schutz für sein Gesicht, als eine Nasenschiene allein bieten konnte.

Der Waffenschmied betrachtete ihn von oben bis unten. »Ihr seid ein großer Mann, aber ich habe schon größere ausgerüstet. « Er kam hinter seinem Tisch vor. »Kniet Euch hin, ich will an den Schultern Maß nehmen. Ja, und an Eurem dicken Hals.« Dunk kniete nieder. Der Waffenschmied legte ihm ein Stück Wildlederschnur mit Knoten darin auf die Schultern, grunzte, legte es ihm um den Hals und grunzte erneut. »Hebt den Arm. Nein, den rechten.« Er grunzte zum dritten Mal. »Jetzt könnt Ihr aufstehen.« Die Innenseite seines Beins, die Abmessungen seiner Wade und der Umfang seiner Taille zogen weitere Grunzlaute nach sich. »Ich habe ein paar Teile auf meinem Wagen, die Euch passen könnten«, sagte der Mann, als er fertig war. »Nichts mit Gold oder Silber Verziertes, natürlich, nur guter Stahl, stark und schlicht. Ich mache Helme, die wie Helme aussehen, nicht wie geflügelte Schweine und komische ausländische Früchte, aber meine leisten Euch bessere Dienste, wenn Ihr eine Lanze ins Gesicht bekommt.«

»Mehr will ich nicht«, sagte Dunk. »Wie viel?«

»Achthundert Hirsche, weil mir mildtätig zumute ist.«

»Achthundert?« Das war mehr, als er erwartet hatte. »Ich ... ich könnte Euch eine alte Rüstung für einen kleineren Mann anbieten ... einen Halbhelm, eine Brünne ...«

»Der Stählerne Pat verkauft nur seine eigenen Arbeiten«, erklärte der Mann, »aber kann sein, dass ich für das Metall Verwendung habe. Wenn es nicht zu rostig ist, dann nehme ich es und statte Euch für sechshundert aus.«

Dunk hätte Pat anflehen können, ihm eine Rüstung auf Kredit zu geben, wusste aber, was für eine Antwort das wahrscheinlich nach sich gezogen hätte. Er war lange genug mit dem alten Mann herumgereist, um zu wissen, dass Kaufleute ein notorisches Misstrauen gegen Heckenritter hegten, von denen einige tatsächlich nicht besser als Straßenräuber waren. »Ich gebe Euch zwei Silberstücke gleich, die Rüstung und die restlichen Münzen morgen.«

Der Waffenschmied sah ihn einen Moment lang an. »Für zwei Silberstücke bekommt Ihr einen Tag. Danach verkaufe ich meine Arbeit dem nächsten.«

Dunk holte die beiden Hirsche aus dem Beutel und drückte sie dem Waffenschmied in die schwielige Hand. »Ihr werdet alles bekommen. Ich will einer der Recken werden. «

»Ach ja?« Pat biss auf eine der Münzen. »Und die andern, nehme ich an, die sind nur gekommen, um Euch zuzujubeln? «
Der Mond stand bereits hoch am Himmel, als Dunk seine Schritte zu der Ulme zurücklenkte. Hinter ihm erstrahlten die Wiesen von Aschfurt im Licht der Fackeln. Lieder und Gelächter hallten über das Gras, aber seine eigene Stimmung war ernst. Er kannte nur eine Möglichkeit, die Münzen für seine Rüstung zusammenzubekommen. Und wenn er verlieren sollte ... »Ich brauche nur einen Sieg«, murmelte er laut. »Das sollte doch zu schaffen sein.«

Und dennoch, der alte Mann hätte sich nie darauf eingelassen. Ser Arlan war kein Lanzenstechen mehr geritten, seit ihn der Prinz von Drachenstein vor vielen Jahren bei einem Turnier in Sturmkap vom Pferd gestoßen hatte. »Nicht jeder Mann kann von sich behaupten, sieben Lanzen gegen den besten Ritter der Sieben Königslande gebrochen zu haben «, pflegte er zu sagen. »Ich könnte nie hoffen, es besser zu machen, warum also sollte ich es versuchen?«

Dunk vermutete, dass Ser Arlans Alter mehr damit zu tun gehabt hatte als der Prinz von Drachenstein, aber er hatte nie eine dementsprechende Bemerkung gewagt. Der alte Mann hatte seinen Stolz gehabt, bis zuletzt. Ich bin schnell und stark, das hat er immer gesagt, und was für ihn galt, muss nicht auch für mich gelten, dachte er störrisch.

Er durchquerte eine Stelle mit hohem Schilfgras und zerbrach sich den Kopf über seine Chancen, als er das Flackern eines Feuers durch die Büsche sah. Was ist denn das? Dunk blieb nicht stehen, um nachzudenken. Plötzlich hatte er das Schwert in der Hand und trampelte durch das Gras.

Er platzte brüllend und fluchend heraus, blieb aber ruckartig stehen, als er den Jungen neben dem Lagerfeuer erblickte. »Du!« Er ließ das Schwert sinken. »Was machst du hier?«

»Einen Fisch grillen«, sagte der kahlköpfige Junge. »Möchtet Ihr auch was abhaben?«

»Ich meinte, wie bist du hierhergekommen? Hast du ein Pferd gestohlen?«

»Ich bin hinten auf dem Wagen eines Mannes mitgefahren, der ein paar Lämmer in die Burg gebracht hat, für die Tafel des Lords von Aschfurt.«

»Nun, dann solltest du schleunigst nachsehen, ob er schon wieder fort ist, oder dir einen anderen Wagen suchen. Ich will dich nicht hier haben.«


»Ihr könnt mich nicht wegschicken«, sagte der Junge dreist. »Ich habe die Nase voll von dem Gasthaus.«

»Ich werde mir keine Frechheiten mehr von dir gefallen lassen«, warnte Dunk ihn. »Ich sollte dich gleich jetzt über mein Pferd werfen und nach Hause bringen.«

»Dann müsstet Ihr den ganzen Weg bis nach Königsmund reiten«, sagte der Junge. »Ihr würdet das Turnier versäumen. «

Königsmund. Einen Moment fragte sich Dunk, ob er verspottet wurde, aber der Junge konnte unmöglich wissen, dass er ebenfalls in Königsmund geboren worden war. Noch ein armer Kerl aus Flohloch, ob es mir gefällt oder nicht, und wer kann es ihm verdenken, dass er da rauswill?

Er kam sich albern vor, wie er mit dem gezückten Schwert über einem achtjährigen Waisenknaben stand. Er steckte es in die Scheide und sah den Jungen finster an, damit der gleich wusste, dass nicht gut Kirschen essen mit ihm war. Ich sollte ihm mindestens eine ordentliche Tracht Prügel verpassen, dachte er, aber der Junge sah so mitleiderregend aus, dass er es nicht über sich brachte, ihn zu schlagen. Er sah sich in dem Lager um. Das Feuer loderte fröhlich in einem ordentlichen Kreis aus Steinen. Die Pferde waren gestriegelt, Kleidungsstücke hingen an der Ulme und trockneten über den Flammen. »Was haben die da zu suchen?«

»Ich habe sie gewaschen«, sagte der Junge. »Und ich habe die Pferde gebürstet, ein Feuer gemacht und diesen Fisch gefangen. Ich hätte Euer Zelt aufgebaut, konnte aber keines finden.«

»Das ist mein Zelt.« Dunk winkte mit der Hand über seinen Kopf zu den Ästen der hohen Ulme, die über ihnen aufragte.
»Das ist ein Baum«, sagte der Junge unbeeindruckt.

»Ein anderes Zelt braucht ein wahrer Ritter nicht. Ich schlafe lieber unter den Sternen als in einem rauchigen Zelt.«

»Und wenn es regnet?«

»Dann schützt mich der Baum.«
»Bäume sind undicht.«

Dunk lachte. »Wohl wahr. Nun, um die Wahrheit zu sagen, mir fehlen die Münzen für ein Zelt. Und du solltest diesen Fisch besser umdrehen, sonst ist er unten verbrannt und oben noch roh. Ein Küchenjunge wird nie aus dir.«

»Wenn ich wollte, schon«, entgegnete der Junge, drehte den Fisch aber dennoch um.

»Was ist mit deinem Haar passiert?«, fragte Dunk ihn.

»Die Maester haben es abrasiert.« Der Junge zog plötzlich verlegen die Kapuze seines dunkelbraunen Mantels hoch und bedeckte seinen Kopf.

Dunk hatte gehört, dass sie das manchmal taten, um Läuse oder Wurzelwürmer oder bestimmte Krankheiten zu behandeln. »Bist du krank?«

»Nein«, sagte der Junge. »Wie heißt Ihr?«

»Dunk«, sagte er.

Der verdammte Bengel lachte hell auf, als wäre das das Komischste, was er je gehört hatte. »Dunk?«, sagte er. »Ser Dunk? Das ist kein Name für einen Ritter. Ist das eine Abkürzung von Duncan?«

War es das? Der alte Mann hatte ihn, solange er zurückdenken konnte, nur Dunk genannt, und an sein Leben davor konnte er sich kaum noch erinnern. »Duncan, ja«, sagte er. »Ser Duncan von ...« Dunk hatte keinen anderen Namen, auch kein Haus; Ser Arlan hatte ihn als Streuner in den

Straßen und Gassen von Flohloch aufgelesen. Seinen Vater und seine Mutter hatte er nie kennengelernt. Was sollte er sagen ? »Ser Duncan aus Flohloch« klang nicht sehr ritterlich. Er hätte Hellerbaum sagen können, was aber, wenn sie ihn fragten, wo das lag? Dunk war nie in Hellerbaum gewesen, noch hatte der alte Mann viel darüber erzählt. Er runzelte einen Moment die Stirn, dann platzte es aus ihm heraus: »Ser Duncan der Große.« Er war groß, das konnte niemand bestreiten, und es hörte sich mächtig an.
Da schien der kleine Frechdachs anderer Meinung zu sein. »Ich habe noch nie von einem Ser Duncan dem Großen gehört.«

»Also kennst du alle Ritter der Sieben Königslande?«

Der Junge sah ihn unerschrocken an. »Die Guten.«

»Ich bin so gut wie alle anderen. Nach dem Turnier werden sie das wissen. Hast du einen Namen, Dieb?«

Der Junge zögerte. »Ei«, sagte er.

Dunk lachte nicht. Sein Kopf sieht aus wie ein Ei. Kleine Jungs können grausam sein, und erwachsene Männer auch.

»Ei«, sagte er. »Ich sollte dich grün und blau schlagen und deines Weges schicken, aber die Wahrheit ist, ich habe kein Zelt, und ich habe auch keinen Knappen. Wenn du schwörst, dass du tun wirst, was ich dir sage, kannst du mir für die Dauer des Turniers dienen. Danach werden wir weitersehen. Wenn ich der Meinung bin, dass du deinen Unterhalt wert bist, wirst du immer Kleider am Leib und einen vollen Bauch haben. Die Kleider mögen derb sein, und das Essen kann aus Pökelfleisch und gesalzenem Fisch bestehen und vielleicht ab und zu etwas Wildbret, wenn keine Waldhüter in der Nähe sind, aber du wirst nicht hungern.

Und ich verspreche dir, dich nur zu schlagen, wenn du es

verdient hast.«

Ei lächelte. »Ja, Mylord.«

»Ser«, verbesserte Dunk ihn. »Ich bin nur ein Heckenritter. « Er fragte sich, ob der alte Mann auf ihn herabschaute. Ich werde ihn die Kunst des Kämpfens lehren, wie Ihr sie mich gelehrt habt, Ser. Er scheint ein tüchtiger Bursche zu sein, möglicherweise bringt er es eines Tages zum Ritter.

Der Fisch war innen noch ein wenig roh, als sie ihn aßen, und der Junge hatte nicht alle Gräten entfernt, aber er schmeckte trotzdem ungleich besser als hartes Pökelfleisch.

Ei schlief kurz darauf neben dem niedergebrannten Feuer ein. Dunk lag auf dem Rücken daneben, die großen Hände hinter dem Kopf verschränkt, und sah zum Nachthimmel empor. Er konnte leise Musik vom eine halbe Meile entfernten Turniergelände hören. Die Sterne waren überall, Tausende und Abertausende. Einer fiel vor seinen Augen herab, ein hellgrüner Streifen, der über die Schwärze schoss und verschwand.

Es bringt Glück, eine Sternschnuppe zu sehen, dachte Dunk. Aber alle anderen sind inzwischen in ihren Zelten und sehen Seide anstelle des Himmels. Also gehört das Glück mir allein.

Am Morgen erwachte er, als ein Hahn krähte. Ei war noch da und hatte sich unter dem zweitbesten Mantel des alten Mannes zusammengerollt. Nun, der Junge ist im Lauf der Nacht nicht weggelaufen, das ist immerhin ein Anfang. Er stieß ihn mit dem Fuß an und weckte ihn. »Auf. Es gibt viel zu tun.« Der Junge stand rasch auf und rieb sich die Augen. »Hilf mir, Leichtfuß zu satteln«, sagte Dunk zu ihm.

»Was ist mit Frühstück?«

»Es gibt Pökelfleisch. Nachdem wir fertig sind.«

»Lieber esse ich das Pferd«, sagte Ei. »Ser.«

»Du isst meine Faust, wenn du nicht tust, was ich dir sage. Hol die Bürsten! Sie sind in der Satteltasche. Ja, in der.«

Gemeinsam bürsteten sie Leichtfuß' rotbraunes Fell, legten ihr Ser Arlans besten Sattel auf den Rücken und zurrten ihn fest. Dunk sah, dass Ei ein guter Arbeiter war, wenn er sich auf seine Tätigkeit konzentrierte.

»Ich gehe davon aus, dass ich den größten Teil des Tages fort sein werde«, sagte er dem Jungen, als er aufstieg. »Du bleibst hier und bringst das Lager in Ordnung. Sieh zu, dass keine anderen Diebe herumschnüffeln kommen.«

»Kann ich ein Schwert haben, um sie zu vertreiben?«, fragte Ei. Er hatte blaue Augen, sah Dunk, sehr dunkel, beinahe violett. Durch seinen kahlen Kopf wirkten sie irgendwie riesig. »Nein«, sagte Dunk. »Ein Messer reicht. Und du solltest besser hier sein, wenn ich zurückkomme, hast du verstanden? Wenn du mich ausraubst und fliehst, werde ich dich aufspüren, das schwöre ich. Mit Hunden.«

»Ihr habt keine Hunde«, bemerkte Ei.

»Ich besorge mir welche«, sagte Dunk. »Nur für dich.« Er wendete Leichtfuß zur Wiese, ritt im flotten Trab davon und hoffte, die Drohung würde ausreichen, dass der Junge ehrlich blieb. Abgesehen von den Kleidern am Leib, der Rüstung in seinem Sack und dem Pferd unter ihm befand sich alles, was Dunk besaß, im Lager. Ich bin ein großer Narr, dass ich dem Jungen so sehr vertraue, aber es ist nicht mehr, als der alte Mann für mich getan hat, überlegte er. Die Mutter muss ihn mir geschickt haben, damit ich meine Schuld begleichen kann.

Als er das Feld überquerte, hörte er Hammerschläge vom Flussufer, wo die Zimmerleute Absperrungen für das Turnier errichteten und eine prächtige Tribüne aufbauten. Einige neue Zelte wurden ebenfalls errichtet, während die Ritter, die früher eingetroffen waren, die Zechgelage der vergangenen Nacht ausschliefen oder sich niedersetzten, um zu frühstücken. Dunk konnte den Rauch von Holz riechen, aber auch Speck.

Nördlich der Wiesen verlief Muschelfluss, ein Nebenfluss des mächtigen Mander. Jenseits der seichten Furt lagen Stadt und Burg. Dunk hatte im Verlauf seiner Reisen mit dem alten Mann viele Marktstädtchen gesehen. Dieses war hübscher als die meisten; die weißgetünchten Häuser mit ihren Schindeldächern hatten etwas Anheimelndes. Als er noch kleiner gewesen war, hatte er sich oft gefragt, wie es wohl sein mochte, in so einem Haus zu leben; jede Nacht mit einem Dach über dem Kopf zu schlafen und jeden Morgen mit denselben Wänden um sich herum aufzuwachen. Vielleicht werde ich es bald erfahren. Jawohl, und Ei auch. Es könnte dazu kommen. Seltsamere Dinge geschahen jeden Tag.

Burg Aschfurt war ein Gebäude aus Stein mit dem Grundriss eines Dreiecks. An jeder Spitze ragten zehn Meter hohe runde Türme auf, dazwischen verliefen dicke Mauern mit Zinnen. Orangefarbene Banner, die das weiße Wappen mit Sonne und Sparren des Burgherrn zeigten, flatterten über den Brüstungen. Bewaffnete Männer in orangeroter und weißer Livree standen mit Hellebarden vor den Toren, verfolgten das Kommen und Gehen der Leute und schienen mehr darauf erpicht zu sein, mit einem hübschen Milchmädchen zu scherzen, als jemanden fernzuhalten. Dunk zügelte sein Pferd vor dem kleinwüchsigen, bärtigen Mann, den er für ihren Hauptmann hielt, und fragte nach dem Turniermeister.

»Da musst du mit Plummer sprechen, der ist Haushofmeister hier. Ich zeige dir den Weg.«

Im Innenhof nahm ihm ein Stallbursche Leichtfuß ab. Dunk schwang sich Ser Arlans kampferprobten Schild über die Schulter und folgte dem Hauptmann der Wache von den Stallungen zu einem Türmchen, das in eine Ecke der Außenmauer gebaut worden war. Eine steile Treppe aus Stein führte zum Wehrgang auf der Mauer hinauf. »Bist du gekommen, um den Namen deines Herrn in die Listen einzutragen? «, fragte der Hauptmann, als sie hinaufgingen.

»Ich werde meinen eigenen Namen eintragen.«

»Tatsächlich?«, Der Mann grinste. Dunk war sich nicht sicher, ob es freundlich gemeint war. »Diese Tür dort. Ich lass dich hier und kehre auf meinen Posten zurück.«

Als Dunk die Tür aufstieß, saß der Haushofmeister an einem Zeichentisch und kratzte mit einer Feder über ein Stück Pergament. Er hatte schütteres graues Haar und ein schmales, verkniffenes Gesicht. »Ja?«, sagte er und schaute auf. »Was willst du, Mann?«

Dunk zog die Tür zu. »Seid Ihr Plummer, der Haushofmeister? Ich bin wegen des Turniers gekommen. Ich möchte auf die Liste.«

Plummer schürzte die Lippen. »Das Turnier meines Lords ist ein Turnier ausschließlich für Ritter. Bist du ein Ritter?«

Er nickte und fragte sich, ob seine Ohren rot wurden.

»Womöglich ein Ritter mit einem Namen?«

»Dunk.« Warum hatte er das gesagt? »Ser Duncan. Der Große.«
»Und woher kommt Ihr, Ser Duncan der Große?«

»Von überall her. Ich war Knappe von Ser Arlan von Hellerbaum, seit meinem fünften oder sechsten Jahr. Dies ist sein Schild.« Er zeigte ihn dem Haushofmeister. »Er wollte zum Turnier kommen, zog sich aber eine Erkältung zu und starb, daher bin ich an seiner Stelle gekommen. Vor seinem Dahinscheiden hat er mich mit seinem eigenen Schwert zum Ritter geschlagen.« Dunk zog das Langschwert und legte es zwischen sie auf den zerkratzten Holztisch.

Der Turniermeister würdigte die Klinge nicht mehr als eines Blicks. »Das ist gewiss ein Schwert. Aber von diesem Arlan von Hellerbaum habe ich noch nie gehört. Ihr sagt, Ihr wart sein Knappe?«

»Er hat immer gesagt, er wollte, dass ich ein Ritter werde wie er. Als er im Sterben lag, verlangte er nach seinem Langschwert und bat mich niederzuknien. Er berührte mich einmal an der rechten und einmal an der linken Schulter und sprach einige Worte, und als ich aufstand, sagte er mir, dass ich jetzt ein Ritter sei.«

»Hmpf.« Plummer rieb sich die Nase. »Jeder Ritter kann einen anderen zum Ritter schlagen, wohl wahr, aber es ist gebräuchlicher, eine Nachtwache zu halten und von einem Septon gesalbt zu werden, bevor man das Gelübde ablegt. Gibt es Zeugen für Euren Ritterschlag?«

»Nur ein Rotkehlchen in einem Dornbusch. Ich habe gehört, wie der alte Mann die Worte sprach. Er forderte mich auf, ein guter und aufrechter Ritter zu sein, den Sieben Göttern zu gehorchen, die Schwachen und Unschuldigen zu schützen, meinem Lord treu zu dienen und das Reich mit aller Macht zu verteidigen, und ich habe geschworen, dass ich das tun werde.«

»Zweifellos.« Plummer ließ sich nicht dazu herab, ihn Ser zu nennen, was Dunk nicht entging. »Ich muss mich mit Lord Aschfurt beraten. Seid Ihr oder Euer verstorbener Herr einem der guten Ritter bekannt, die sich hier eingefunden haben?«

Dunk überlegte einen Moment. »Ich habe ein Zelt mit dem Banner des Hauses Dondarrion gesehen. Das schwarze mit dem violetten Blitz?«

»Das ist Ser Manfred aus jenem Hause.«

»Ser Arlan hat seinem Hohen Vater vor drei Jahren in Dorne gedient. Ser Manfred erinnert sich vielleicht an mich.«

»Ich würde Euch raten, mit ihm zu sprechen. Wenn er für Euch bürgt, bringt ihn morgen mit hierher, um genau dieselbe Zeit.«

»Wie Ihr wünscht, M'lord.« Er ging zur Tür.

»Ser Duncan«, rief ihm der Haushofmeister nach.

Dunk drehte sich um.

»Euch ist bewusst«, sagte der Mann, »dass Unterlegene des Turniers Waffen, Rüstung und Pferd an den Sieger verlieren und sie auslösen müssen?«

»Ich weiß.«

»Und habt Ihr das Geld, um Lösegeld zu entrichten?«

Nun wusste er, dass seine Ohren rot waren. »Ich werde keine Münzen brauchen«, sagte er und betete, dass es zuträfe. Ich brauche nur einen Sieg. Wenn ich mein erstes Lanzen- stechen gewinne, werde ich Rüstung und Pferd des Verlierers haben, oder sein Gold, und kann dann eine eigene Niederlage verkraften.

Er ging langsam die Treppe hinunter, weil er kaum über sich bringen konnte, was er als Nächstes tun musste. Auf dem Hof packte er einen der Stallburschen am Kragen. »Ich muss mit Lord Aschfurts Stallmeister sprechen.«

»Ich werde ihn für Euch suchen.«

In den Ställen war es kühl und halbdunkel. Ein unruhiger grauer Hengst schnappte im Vorbeigehen nach ihm, aber Leichtfuß wieherte nur leise und schnoberte an seiner Hand, als er sie ihr an die Nüstern hielt. »Bist ein braves Mädchen, was?«, flüsterte er. Der alte Mann hatte immer gesagt, dass ein Ritter sein Pferd niemals zu gern haben sollte, da mehr als nur ein paar unter ihm sterben würden, aber auch er hatte sich nie an seinen eigenen Rat gehalten. Dunk hatte oft gesehen, wie er seine letzte Kupfermünze für einen Apfel für den alten Fuchs oder Hafer für Leichtfuß und Donner ausgegeben hatte. Die Stute war Ser Arlans Reitpferd gewesen, und sie hatte ihn unermüdlich Tausende von Meilen getragen, kreuz und quer durch die ganzen Sieben Königslande. Dunk kam sich vor, als würde er einen alten Freund verraten, aber hatte er eine andere Wahl? Der Fuchs war so alt, dass er kaum mehr etwas wert war, und Donner musste ihn im Turnier tragen.

Es verging einige Zeit, bis der Stallmeister sich herabließ zu erscheinen. Während er wartete, hörte Dunk einen Fanfarenstoß von den Mauern und eine Stimme auf dem Hof. Neugierig führte er Leichtfuß zur Stalltür, um nachzusehen, was vor sich ging. Eine große Gruppe von Rittern und berittenen Bogenschützen strömte zum Tor herein, mindestens hundert Mann, die einige der prachtvollsten Pferde ritten, die Dunk je gesehen hatte. Irgendein großer Lord ist eingetroffen. Er packte einen vorübereilenden Stallburschen am Arm. »Wer ist das?«

Der Junge sah ihn seltsam an. »Könnt Ihr die Banner nicht sehen?« Er riss sich los und rannte weg.

Die Banner ... Als Dunk sich umdrehte, hob ein Windstoß den schwarzen Seidenwimpel auf dem hohen Stab, worauf der wütende dreiköpfige Drache des Hauses Targaryen die Schwingen zu spreizen und scharlachrotes Feuer zu spucken schien. Der Bannerträger war ein hochgewachsener Ritter in weißer Schuppenrüstung mit Goldverzierungen, von dessen Schultern ein blütenweißer Mantel herabfiel. Zwei weitere Reiter waren ebenfalls von Kopf bis Fuß in weiße Rüstungen gekleidet. Ritter der Königsgarde mit dem königlichen Banner. Kein Wunder, dass Lord Aschfurt und seine Söhne aus den Toren der Festung gelaufen kamen, und die Schöne Maid ebenfalls, ein kleines Mädchen mit blondem Haar und einem runden, rosigen Gesicht. Mir kommt sie gar nicht so schön vor, dachte Dunk. Die Puppenspielerin war hübscher.

»Junge, lass diese Mähre da los, und kümmere dich um mein Pferd.«

Ein Reiter war vor den Ställen abgestiegen. Er redet mit mir, wurde Dunk klar. »Ich bin kein Stallbursche, M'lord.«

»Nicht schlau genug?« Der Sprecher trug einen schwarzen, mit scharlachrotem Satin gefütterten Mantel, aber darunter ein Gewand so leuchtend wie Feuer, ganz in Rot und Gelb und Gold. Er war etwa in Dunks Alter, schlank und gerade wie ein Dolch, aber nur mittelgroß. Locken silbergoldenen Haares umrahmten sein feingeschnittenes und an maßendes Gesicht; hohe Stirn und vorstehende Wangenknochen, gerade Nase, blasse, glatte Haut ohne Makel. Seine Augen hatten die Farbe von tiefem Veilchenblau. »Wenn du nicht mit einem Pferd umgehen kannst, bring mir etwas Wein und eine hübsche Dirne.«

»Ich ... Verzeihung, M'lord, aber ich bin auch kein Diener. Ich habe die Ehre, ein Ritter zu sein.«

»Traurige Zeiten für den Ritterstand«, sagte der junge Prinz, aber dann kam einer der Stallburschen gelaufen, und er wandte sich ab und gab ihm die Zügel seines Zelters, eines prachtvollen Vollbluts. Dunk war im Handumdrehen vergessen. Erleichtert schlich er in den Stall zurück, um auf den Stallmeister zu warten. In unmittelbarer Nähe der Lords in ihren Zelten fühlte er sich unwohl genug, und es stand ihm nicht zu, mit Prinzen zu sprechen.

Dass der wunderschöne Jüngling ein Prinz war, daran bestand kein Zweifel für ihn. In den Adern der Targaryen floss das Blut des verlorenen Valyria von jenseits des Meeres, ihr silbergoldenes Haar und die veilchenblauen Augen unterschieden sie von gewöhnlichen Menschen. Dunk wusste, dass Prinz Baelor älter war, aber der Junge hätte gut und gerne einer seiner Söhne sein können: Valarr, der häufig »der Junge Prinz« genannt wurde, um ihn von seinem Vater zu unterscheiden, oder Matarys, der »Noch Jüngere Prinz«, wie der Hofnarr des alten Lord Swann ihn einmal genannt hatte. Darüber hinaus gab es noch andere junge Prinzen, Vettern von Balarr und Matarys. Der Gute König Daeron hatte vier erwachsene Söhne, von denen drei wiederum selbst Söhne hatten. Während der Zeit seines Vaters wäre das Geschlecht der Drachenkönige um ein Haar ausgestorben, aber man sagte gemeinhin, dass Daeron II. und seine Söhne seinen Erhalt für alle Zeiten gesichert hatten.

»Du. Mann. Du hast nach mir gefragt.« Lord Aschfurts Stallmeister hatte ein rotes Gesicht, das durch die orangerote Livree und seine barsche Sprechweise noch röter wirkte. »Was ist? Ich habe keine Zeit für ...«

»Ich will diesen Zelter verkaufen«, unterbrach Dunk ihn hastig, bevor der Mann ihn wegschicken konnte. »Sie ist ein gutes Pferd, trittsicher ...«

© der deutschsprachigen Ausgabe von »Der Heckenritter« 1999, von »Der geheimnisvolle Ritter« 2013, both by Verlagsgruppe Random House GmbH